Zwischenbilanz zur 120 kg – Klasse. Zweiter Teil: Die Hoffnungsträger.

Erster Hoffnungsträger: AEROLiTE 120

Kein Zweifel. Nach dem anfänglichen Hype war die 120 kg – Blase regelrecht geplatzt und hatte alle Worthülsen-Anbieter mal mehr, mal weniger nass gemacht. Zum Beispiel auch die kurzzeitig zum Deutschland-Importeur des amerikanischen Aerolite103 avancierte Firma Parazoom von Jens Higgen, die neben den recht erfolgreich vermarkteten Trikes nun auch in die Dreiachser-Liga aufsteigen wollte. Doch dazu mussten ja Bauvorschriften eingehalten,  Festigkeitsnachweise erbracht werden etc.

Ein Ehepaar packt zu.

Als sehr lange Zeit bei Parazoom überhaupt nichts vorwärts ging und der Bausatz des ersten 103er mehr oder weniger unberührt herumlag, griffen Thilda und Wolfgang Labudde zu: Das Ehepaar aus Mecklenburg – Vorpommern, Inhaber / Geschäftsführer der Firma VIERWERK, kaufte die Rechte plus Bausatz, krempelte die Ärmel hoch und machte sich als „Start Up“ in Sachen Flugzeugbau an die Arbeit. Bravo!

Herrliches Cruisen, wie es entsprechend der ursprünglichen Idee vom „wirklich leichten Fliegen“ kaum besser sein kann. Entspannte, bequeme Sitzposition mit begeisterndem Blick rundum und auf die unten vorbeiziehende Landschaft. Offenes, direktes Flugerleben, dabei aber erstaunlich gut vor den Elementen geschützt durch ein Windschild bis auf Stirnhöhe. Das reicht völlig aus für angenehmen Komfort, denn wegen der Pusher-Konfiguration muss kein Propellerstrahl, sondern nur der geringe Fahrtwind abgehalten werden. Und – jetzt lachen nur die, die sich mit offenen Fliegern nicht auskennen – die durchsichtige Verkleidungsschale reicht so weit unter die Füße hinab, dass man die Socken nicht über die Hosenbeine ziehen muss, um unliebsamen Insektenbesuch bis hinauf in den Genitalbereich zu verhindern. 🙂

Auch die Labuddes waren etwas blauäugig zum „Hersteller“ eines Fliegers geworden – denn so wird ein Importeur und Anbieter vom Gesetz ja gesehen. Auch sie hatten die Hürden einer Musterprüfung bzw. ersatzweise der Zulassung in einem Land der europäischen Union unterschätzt. Doch mit enormer Energie, großem Fleiß und unbeirrt von den Wogen der damaligen LL-Diskussion arbeiteten sich die Labuddes in die Materie ein und ließen sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen. Denn als sich beim Belastungstest das Leitwerk verabschiedete, machten alle lange Gesichter. Aber das Problem konnte technisch einfach und schnell zusammen mit dem 120 kg – Zulassungs-Papst Hans-Peter Schneider gelöst werden, um das germanische Sicherheitsniveau zu garantieren. Während hunderte von Aerolite 103 in Amerika seit über einem Jahrzehnt im Urzustand fröhlich umeinander fliegen, ohne jemals ihren  Schwanz zu verbiegen.

Exkurs: Was wieder einmal mehr zeigt, dass wir Deutschen in Sachen Sicherheitsvorkehrungen ganz gerne zum reichlich dimensionierten Hosenträger auch noch den eng geschnallten Gürtel ordern. Weil wir dann, mit  offiziellen Stempeln auf dem Fluggerät und auf dem eigenen Hintern (Flieger-Vulgo: JNP und Medical) bar eigener Verantwortung in die Luft gehen können. Franzosen und Amerikaner checken ihre deregulierten Geräte mit ganz anderen Augen. Weil sie für sich und den Flieger volle Verantwortung übernehmen müssen. Da hilft ihnen im Fall des Falles kein offizieller Stempel.

Das ist ein interessantes, echtes 120 kg – Thema. Denn ausschließlich in dieser LL – Klasse werden vom Deutschen die Tugenden und Fähigkeiten gefordert, über die der Franzose, Amerikaner oder Italiener bei allen UL-Fliegern verfügen muss: Eigenverantwortung übernehmen!

Nach meinen Erfahrungen sind aber nur wenige deutsche Piloten dazu in der Lage, die schier unglaubliche Bürokratie-Freiheit der 120er als großartiges Geschenk für jeden mündigen Bürger / Piloten zu begreifen. Vielmehr haben sich für mich die Anzeichen dafür verdichtet, dass sich der deutschen UL-Pilot mehrheitlich, wenn auch großenteils klammheimlich, davor fürchtet, selbst in großem Umfang Eigenverantwortung zu übernehmen. Lieber begibt er sich in die Hände der ihn selbst und sein Gerät gängelnd regulierenden Institutionen, die ihm den Löwenanteil der Verantwortung (und dabei immer auch einen großen Geldbetrag) abnehmen. Auch das dürfte einer der Gründe sein, warum die 120er ein Nischenprodukt im deutschen UL-Markt bleiben werden. Exkurs Ende.

Zurück zu den mutigen, tüchtigen Labuddes: Sie lassen nicht locker und haben schon bald die Zulassung für die überarbeitete Version des Aerolite 103 in der 120er – Klasse in Händen. Ihren Flieger nennen sie nun folgerichtig AEROLiTE 120. Er ist die in etlichen Punkten weiterentwickelte und nach deutschen UL-Standards geprüfte Europa-Version des Aerolite 103. Und die Labuddes sind die einzigen 120 kg – Anbieter, die seither auf der AERO ohne Unterbrechung vorbildliche Präsenz zeigen. Zweimal Bravo.

Der schlanke Flieger ist im Mutterland USA als Aerolite 103 seit Jahren ein Dauerbrenner.

Verrechnet haben sie sich – wie viele andere auch – mit dem Potenzial der 120 kg -Klasse. Siehe auch oben „Exkurs“. Doch unabhängig von den fliegerischen Ausformungen der „deutschen Angst“ spüren die Labuddes  Gegenwind. Auch bei einem „Start Up“ muss der Aufwand für Zulassung, technische Weiterentwicklung, Martketing, After-Sales-Service, die Pflege eines Vertriebsnetzes und nicht zuletzt die Händler-Provision irgendwann bezahlt, d. h. auf den Verkaufspreis umgelegt werden.  Da steht dann plötzlich eine Zahl, die mit dem in den USA aufgerufenen Preis für den Flieger überhaupt nichts mehr zu tun hat. Und jeder von uns kennt zumindest einen „Oberschlaule“, der am Fliegerstammtisch die Preisdifferenz in erster Linie auf die Geldgier des Importeurrs / deutschen Herstellers zurückführt. Das machen die „Oberschlaules“ bekanntlich auch in den Fällen, in denen der Hersteller am Existenzminimum dahinschrappt oder schon den Konkursverwalter mit am Tisch hat. Denn in der Fliegerei kann man bekanntlich nur dann schnell eine Million machen, wenn man mit zwei Millionen begonnen hat. Das gilt für 120 kg – Flieger in nochmals deutlich zugespitzter Form. Eine ganz andere Frage ist natürlich, ob im Unternehmenskonzept für ein solches Produkt Positionen wie Händlernetz und professionelles Marketing überhaupt Platz haben.

Für den AeroLite 120 bedeutet das jedenfalls: Die Endverbraucher-Preise inklusive Mehrwertsteuer beginnen für den fertigen Flieger mit 200er Polini bei 26.000 €. Mit Rettung wird bereits die 30.000 € – Marke geknackt. Und da die klassische Konstruktions-Methode aus den Anfängen der leichten Fliegerei nicht gerade widerstandsarm ist, werden die  Zusatz-PS vom nun als Option lieferbaren Polini 250 gerne abgerufen werden. Womit die „Preis-Schallmauer“ für Einfach-LL mit deutlich über 30 TSD € endgültig durchbrochen wird.

In der Philosophie des „wirklich leichten Fliegens“ nahe am Ideal.

Das ist sehr, sehrt schade, entspricht der AEROLiTE 120 doch in fast allen Punkten genau dem ursprünglichen Ideal des wirklich leichten Fliegens. Vom Laien technisch überschaubare und (in Eigenverantwortung!!) auch kontrollierbare Konstruktion. Günstige Instandsetzungskosten bei Schäden, fast alles an der Zelle ist auch vom Laien  in Eigenleistung austauschbar. Verzeihende, angenehme Flugeigenschaften, entspannte, fürs Genussfliegen optimale Sitzposition. Herrliche Sicht beim Luftwandern oder bei der „Feierabend-Runde um den Dorf-Kirchturm“.

Der „Eightymade-Kit“: Super-Idee für ein Rohr-Tuch-Gerät.

Auf der AERO 2018 präsentierten Thilda und Wolfgang Labudde von der Firma VIERWERK den kompletten „Eightymade-Kit“: Ausgezeichnete Qualität in Material und Ausführung. Dazu durch das Rohr-Tuch-Konzept auch unschlagbar einfach und zügig fertigzustellen. Sogar im Selbstbau völlig Ungeübte können den Flieger in zwei bis drei Wochen bereit zum Erstflug machen!

Die tüchtigen Labuddes haben das zwangsläufige Preisproblem aller Einfach-LL erkannt und eine interessante Lösung dafür ausgetüftelt: Das auf der letzten AERO vorgestellte Projekt „Eightymade-Kit“. Wie der Name schon sagt, sind mit dem Baukasten nur noch zwanzig Prozent der Arbeit zu erledigen. Vor allem jener Teil, der nicht an programmierbare Werkzeugmaschinen delegierbar und wegen der händischen Erledigung teuer zu bezahlen wäre. Die Teile und Baugruppen sind passgenau und in überdurchschnittlich hoher Qualität gefertigt. Dabei ist die Konstruktion so einfach und übersichtlich gehalten, dass wirklich praktisch jeder in nur rund 100 Stunden zu einem flugfertigen Dreiachser in hoher Endqualität kommen kann. Das ist bei geschweißten und dann klassisch bespannten Konstruktionen anders. Roman Weller, über dessen Rebell noch ausführlich zu berichten sein wird, hatte daher von vorn herein beschlossen, aus Gründen der Qualität bzw. Sicherheit auf den Verkauf von Bausätzen gänzlich zu verzichten. Der AL 120 nutzt dagegen nun seinen konzeptbedingten Vorteil, um auch fürs kleinere Budget hoch interessant zu werden – ohne dass die Qualität des Endproduktes in irgend einer Weise darunter leidet. Und 100 Stunden, die man etwa investieren muss, kann jeder aufbringen, ohne den Spaß am „Selberschrauben“ zu verlieren. Bravo. Bravo. Bravo!!!

Auch die Kleinteile des 80 % Bausatzes werden so gut vorbereitet und so übersichtlich geliefert, dass sich auch Piloten ohne Bauerfahrung die Arbeiten für die restlichen 20 % durchaus zutrauen dürfen.

Denn die Herabstufung im Anschaffungspreis ist wichtig.  Weil der Käufer vergleicht: Für seinen inzwischen zum charaktervollen Kultflieger avancierten „Rebell“ ruft Roman Weller inklusive attraktivem Zweizylinder-Viertaktmotor „nur“ etwa ab 34 TSD € auf. Allerdings muss Weller auch keine Händlerprovisionen einberechnen. Und teure Marketingmaßnahmen sind ihm ein Greuel. Aber die Firma Vierwerk kann ja wie bei den positiven Neuerungen im Produktangebot auch über Veränderungen im Vertriebskonzept nachdenken.

Jedenfalls ist dem knuffigen, sympathischen AL 120 zu wünschen, dass er sich als Einfach-LL insbesondere auch in der Bausatz-Version entsprechend preisgünstig am Markt platzieren kann. Und vielleicht gibt es irgendwann auch einen kleinen, leichten Viertakter, den die Labuddes als Alternative zu den Polinis anbieten können. Doch da der wassergekühlte Polini 250 in der Pusher-Version bereits ausreichend erprobt und für überdurchschnittlich gut befunden wurde, ist dieser einzige kritische Punkt im Anforderungsprofil zu verschmerzen. Vorausgesetzt, man hat einen Hallenplatz, der im Preis für ein Einfach – LL angemessen ist. Denn „aus dem Hänger heraus“ kann der AL 120 nicht geflogen werden.

Persönliches Fazit: Obwohl ich selbst eher ein Spornrad-Fan bin, drücke ich ganz fest die Daumen, dass der AL 120 auch insbesondere in der Bausatz-Vartiante viele neue Freunde findet. Er ist einer der wenigen „echten“ und „ehrlichen“ Vertreter der ursprünglichen 120kg – Klasse bzw. der Geräte nach Part 103 in den USA. Diese Flieger sollten in erster Linie EINFACH sein. In der Herstellung. Beim Fliegen. Bei Reparaturen. Beim Handling. Zu dieser Art unkompliziertem Flugvergnügen passt natürlich ein moderater Preis am besten. Mit dem „Eightymade-Kit“ geben die tüchtigen Labuddes, die mit ihrem Flieger zu einer verlässlichen Institution in der 120 kg – Klasse geworden sind, dem Markt die richtige Botschaft!

Zweiter Hoffnungsträger: Senkrechtstarter SD -1

Demnächst an dieser Stelle 🙂

Was geschieht mit der 120 kg – Klasse? Eine Zwischenbilanz. Erster Teil.

Ein Blick zurück schärft den Blick nach vorn

Nehmen wir einmal an, ein Hersteller „Leichter Luftsportgeräte“ ruft für sein ausgefuchstes High-Tech-LL satte 54.600 € als Verkaufspreis auf. Gerade nicht gezuckt? Richtig!  Wir befinden uns mit diesem Gedankenspiel nicht in Phantasialand, sondern mitten in der Flieger-Realität.

Aber kaum einer macht sich klar, dass man dafür den ganzen Flieger von der ersten bis zur letzten Schraube mit reinstem Sterling -Silber aufwiegen könnte.  Das Kilo wird gerade (Ende Mai 2018) mit 455 € gehandelt. Und mehr als 120 kg darf das gute Stück ja nicht wiegen.

Diese Animation für den AIRector-Vertrieb legte die Latte fürs 120 kg – Fliegen ziemlich hoch.  „So könnte ihr Cockpit aussehen“ ließ man den Kunden wissen: Mit  Cockpit und Feeling eines Jagdflugzeugs, wenn auch angetrieben von einem mickrigen Einzylinder – Zweitakter, ohne Medical-Sorgen mit 160 km/h quer durch Deutschland preschen: Ein tolles Versprechen!

Wer wie der Autor die kleine Klasse von Anbeginn genau verfolgt hat, muss dabei natürlich sofort an den seligen „AIRector“ denken.  Dessen Vor-Vermarktung via Computer-Animation zielte damals relativ offen auf ältere Piloten, die auch ohne Medical noch so viel Flugzeug wie irgend möglich bewegen wollten – und dafür fast jeden Preis bezahlt hätten. Aber zum Leidwesen dieser Piloten gab es so etwas noch lange nicht zu kaufen. Es gab erst einmal gar nichts.

Damit sind wir mitten im Thema: Der Hype – und damit  im Gefolge das Image der neuen Klasse – wurde zunächst von älteren Semestern geprägt. Als dieser Blog ans Netz ging, bildete die Altersgruppe „65 Plus“ unter der wiederkehrenden Leserschaft noch eine der drei tragenden Säulen und verfehlte nur knapp Platz zwei in der Rangliste unter den LL- affinen Altersgruppen. Doch was die Anbieter in kleinen Schritten nach und nach  zum Kauf anbieten konnten, war wegen der vom Ministerium geforderten Leistungsbeschränkungen der Bauvorschrift LTF-L überhaupt nicht mehr nach dem Geschmack dieser kaufkräftigen Klientel. Abgesehen vom Motorsegler „Song“, der ja nichts für eingefleischte Motorflieger ist, konnte man nur rustikale, ganz oder halb offene Charakterflieger mit sehr bescheidenen Flugleistungen kaufen – geschuldet der vom Ministerium geforderten Flächenbelastung von maximal 25 kg /qm.

Jüngere Jahrgänge gewinnen die Oberhand.

Heute, 6 Jahre später und nach Liberalisierung der Bauvorschriften, haben sich die Verhältnisse umgekehrt. Die Demografie der Blog-Leser Januar bis Mai 2018 sieht die Altersgruppe  „65 Plus“ mit weniger als 13 % abgeschlagen auf Platz 5. Die stärksten Interessenten-Gruppen sind: 45 – 54 Jahre (26%), 55 – 64 Jahre (20%) und 35 – 44 Jahre (19 %). Diese Altersgruppen haben in der Regel keine Medical-Probleme. Maximale Bürokratiefreiheit und das einzigartige, ursprüngliche Flugerleben mit den wirklich leichten Geräten sind die „Kicks“, welche die kleine Klasse begehrenswert machen.

Anders gesagt: Das Sportliche der neuen Klasse, das ein spezielles Können verlangt und mit einem gewissen Komfortverzicht gepaart ist, rückt in den Vordergrund. Auch wenn es die Piloten größerer UL oder kleiner E-Klasse – Maschinen nicht gerne hören: Rein fliegerisch ist ein 120 kg Dreiachser anspruchsvoller und fordert den Piloten stärker – im Feingefühl wie auch in der Kondition. Ein LL fliegt nicht einfach so dahin. Auch bei wenig Wind und geringer Thermik muss es in jeder Sekunde aktiv geflogen werden. Und wer in seinem schnellen Tiefdecker die Seitenruder-Pedale fast nur noch zum Rollen benutzt hat, lebt in einem typischen LL richtig gefährlich. Last but not least muss man auch einer speziellen mentalen Anforderung gewachsen sein. Denn man weiß: Wer die erste  Sicherheits- oder Notlandung wegen Motorproblemen noch nicht hinter sich hat, der hat sie eben noch vor sich. Das hat nichts mit Ängsten zu tun. Sondern mit der richtigen mentalen Einstimmung kann man durch angepasste Streckenführung und im Ernstfall durch schnelles, richtiges Handeln dieses Risiko kalkulierbar machen und ganz gut im Griff haben. Die Segelflieger machen es ja vor. Siehe weiter unten:  „Das Antriebs-Problem.“

Im Gegensatz zum ersten LL-Hype, bei dem es aber noch nichts zu kaufen gab, haben wir heute die umgekehrte Situation: Nun gibt es ausreichend viele als LL eingetragene Muster zu kaufen und es gibt auch viele Interessenten, wie z.B. die großenLeserschaft dieses Blogs belegt. Aber:

Es gibt unter den LL – Interessenten zu wenige LL – Käufer.

Der Grund ist naheliegend: Wer sich nicht um sein Medical sorgen macht, wird logischerweise ein interessantes LL mit einem klassischen UL vergleichen. Und da es die junge Klasse der Leichten Luftsportgeräte nur neu oder fast neu zu kaufen gibt, stellt sich ein einfaches Problem: Zum Preis des LL, eventuell sogar mit einem besch …eidenen Zweitakter, gibt es ein halbwegs gut erhaltenes Rohr-Tuch-UL mit bewährtem Vierzylinder Rotax. Und Außerdem kann im Doppelsitzer auch mal die bessere Hälfte mitfliegen. Und das gerne auch mal etwas weiter.

Als Spaßflieger zu teuer. Als Streckenflieger kaum tauglich.

Ganz offen gesprochen: Selbst ein ordentlich verdienender Familienvater  mit z. B. zwei Kindern in der Ausbildung kann oder will es sich in der Regel nicht  leisten, rund 40.000,- €  für einen reinen Spaßflieger auszugeben. Ein Gerät, das noch dazu nur einen Sitzplatzund einen ungeliebten Zweitakter hat. Zu diesem kritisch positionierten Angebots-Segment gehört leider z. B. auch der „Relax“ von Roland Hauke.

Der „Relax“: Leider noch immer ohne endgültige französische Zulassung – die Voraussetzung, um als LL angeboten werden zu können.

Er kostet knapp 40 TSD € und wird neben dem Aixro Wankel von Wölfle aus Gewichtsgründen alternativ nur mit dem Polini 250 angeboten werden. Kurz: Um die wachsende jüngere Interessenten-Gruppe zu erreichen, die sich unabhängig vom Medical zusehends für das ursprüngliche, wirklich leichte Fliegen begeistern kann, muss es attraktive und trotz Viertakter preisgünstige LL geben mit Neupreisen zwischen 20 und 30 TSD €. Woraus sich dann irgendwann ein Gebrauchtmarkt mit Preisen zwischen  13 und 18 TSD € entwickelt. Das legt die Zielgruppe z.B.  auch für ein Oberklasse-Motorrad auf den Tresen. Und genauso „normal“ könnte es sein, wenn statt oder neben dem Motorrad ein LL mit Klappflächen im Car-Port steht. Weil Hallenplätze mit Preisen zwischen durchschnittlich 1200 € und 1800 € pro Jahr, also 10 % (!) der Anschaffungskosten, nicht zu einem „bezahlbaren“ Sport- und Spaßgerät passen.

Auch in besseren Kreisen „gut angezogen“ mit einem Flieger aus der „Arme-Leute-Klasse“?

Am anderen Ende der Fahnenstange des 120er – Marktes scheint Geld keine Rolle zu spielen. Schon bald wird – wenn alles klappt – ein  Premium – LL zu kaufen sein, das mit ähnlichem Anspruch an den Markt geht wie weiland der AIRector: Die Corsair von Jörg Hollmann mit den markanten Knickflügeln und der Schiebehaube des berühmten WK II -Vorbildes.

Auf der Homepage von JH Aircraft ist klar formuliert: „Durch innovativen Leichtbau können hohe Flugleistungen und höchste Strukturfestigkeit realisiert werden. Höchstgeschwindigkeiten jenseits der 200 km/h- Marke und Belastungsgrenzen von +6 und -4g setzen neue Maßstäbe in dieser Klasse.“ Unter 75.000 €  inklusive Rettungssystem und Funk wird die filigrane Kohlefaser-Konstruktion leider nicht zu haben sein. Viel Geld für ein „Leichtes Luftsportgerät“, das die Klasse neu definieren und eigentlich ein Head-Turner sein möchte, der im Aufmerksamkeitswert und „Will-Haben-Affekt“ praktisch alle „großen“ UL in den Schatten stellt. Gemessen daran, ist der Gegenwert eines Porsche Cayenne sicher gut angelegt.

Ganz nüchtern betrachtet, ist und bleibt die Corsair ein Flieger der kleinstmöglichen und wettersensibelsten Dreiachser-Klasse. Mit einem Motor, dessen noch nicht erreichte Serienreife einem anderen Hersteller sein Vorführ-Flugzeug gekostet hat. Trotzdem: Vor 10 Jahren wären gut betuchte Senioren, mit dem Scheckbuch wedelnd, bei JH Aircraft Schlange gestanden. Man darf gespannt sein, ob das heute, lange nach dem 120er-Hype, immer noch so ist.

Aufbruchstimmung herrscht bei den LL – Segelfliegern, der ältesten Gruppe der deregulierten Dreiachs-Flieger. Moderne Materialien und Fertigungsmethoden machen die Integration von Antrieben innerhalb des Gewichtslimits möglich. Doch auch hier kollidiert die Philosophie des einfachen Fliegens zwangsläufig mit den Preisen, die für moderne Konstruktionen aufgerufen werden.

Aber: Preislich haben wir hier bei den Seglern eine völlig andere Situation. Da es keine UL-Segelflieger in Deutschland gibt, wären die „richtigen“ Segelflugzeuge die einzige Alternative. Und deren Preise sind für „Normalverbraucher“ schlicht astronomisch unerschwinglich. Relativ wäre daher ein moderner, eigenstartfähiger Segler für z.B. 50.000 € ein vergleichsweise günstiges Angebot. Kurz: Den mit E-Antrieb autonom startenden 120 kg Segelfliegern – aus Sicht der Verwaltung „motorisierte LL“ – gehört bei den 120 kg-Segelfliegern die Zukunft. Und auch mit Blick auf die Mischformen der Fluggeräte ist es nur konsequent, dass sich die motorisierten und die nicht motorisierten LL-Flieger im gemeinsamen Verband DVLL zusammengetan haben.

Gemeinsam stärker: Die Vorstände Hans-Peter Schneider (Motorflug, links) und Harro Renth (Sektion Segelflug, Mitte) auf der AERO 2018

Wegweisend für die Zukunft könnte das Projekt „Birdy“ sein, das der Verband auf der letzten AERO in Friedrichshafen vorgestellt hat: Mitglieder des Verbandes haben sich zusammengetan, um durch die Sicherung einer Mindest-Abnahmemenge und entsprechende Anzahlungen die Serienproduktion dieser interessanten Konstruktion in die Wege zu leiten.  Das wäre ein echter Meilenstein, um die Attraktivität des 120 kg -Segelflugs deutlich zu steigern.

 

Die Grenzen zwischen Motorfliegern, Segelfliegern und über Gewichtskraft gesteuerten Trikes verschwimmen teilweise.

Ein weiterer hochinteressanter Grenzgänger zwischen den Flugzeugarten ist der Silent Glider. Dieses nur in der Querachse über Gewichtskraft gesteuerte Hochleistungs-Trike wird in der Längsachse über Klappen gesteuert. Deshalb genügt ein nur längs beweglicher Stab, der von oben ins Cockpit ragt, bis auf den dafür nötigen Schlitz kann das Cockpit aerodynamisch hochwertig geschlossen sein.

Eine ganz neue Variante verfügt nun über eine Knüppelsteuerung wie ein Dreiachser  mit entsprechender Umlenkung (also ziehen fürs Steigen). Die für viele Dreiachspiloten schwierige Umstellung auf die Gewichtskraftsteuerung (ziehen fürs Sinken) entfällt daher! Es ist eine Überlegung wert, ob für diese Version des Silent Glider die Dreiachser-Lizenz gültig bzw. sogar erforderlich ist.

Das Antriebs-Problem der LL – Dreiachser.

Gemeint sind hier nicht etwa die etwas zögerlich zum Einsatz kommenden Elektro-Antriebe, sondern die ganz gewöhnlichen Verbrenner. Als die 120er – Klasse auch für Motor-Dreiachser zugelassen wurde, hatte sich die Ul-Pilotenschaft gerade endgültig an die 912er-Antriebe von Rotax als eine Art Sicherheits-Standard gewöhnt. Tiefe Schleppgas-Anflüge, auf die früher bei der Ausbildung in fliegenden, von Zweitaktern angetriebenen Widerständen die Todesstrafe stand, waren vielerorts trotz ihrer totalen Sinnbefreitheit salonfähig geworden. Eben weil auch ein nicht zertifizierter 912er so zuverlässig ist wie ein Lycoming oder Continental – die nötige Pflege vorausgesetzt.

Und nun stiegen Piloten mit diesem (Unter)Bewusstsein in kleine Kisten, in denen wegen des Gewichtsvorteils zum Beispiel kleine Hirth F33 werkelten. Auch der deutlich bessere Polini 250 mit Wasserkühlung, der mittlerweile zur gewichtsoptimierten Standardlösung avancierte, hat in der für ihn neuen Traktor-Konfiguration seine Tücken. Insbesondere, wenn die Hersteller in kreativer Selbstüberschätzung meinen, das Rad selbst neu erfinden zu müssen. Da wurde eine zur Vergaser Entlüftung notwendige Leitung von einem in England zertifizierten UL-Hersteller (!) ganz einfach weggelassen, weil man nicht kapiert hatte, wozu das in der Einbauanweisung geforderte Teil gut sein sollte. Was den Verfasser gleich beim ersten Werkstattflug des neuen Fliegers zu Boden zwang – zum Glück schadlos. Und fast überall wurde an der großen, als störend empfundenen Ansaugbox herumexperimentiert. Im Falle des erwähnten englischen Flugzeugbauers entschloss man sich auch hier, das „nutzlose“ Ding einfach wegzulassen. Dies wiederum hatte zur Folge, dass der damalige Miteigner des Verfassers nur in einer anspruchsvollen Segellandung mit Steilkurve den Platz noch  erreichen konnte. Diagnose: Kapitaler Kolbenklemmer. Doch um nicht nur über Zweitakter zu schimpfen: Sowohl der Verfasser als auch zwei LL-Fliegerfreunde sind auch schon mit B+S Viertaktern zu Boden gegangen. Diese Industriemotoren sind berühmt für ihre Robustheit und Zuverlässigkeit – so lange sich kein Tuner, der diesen Namen nicht verdient, an Ihnen vergreift. Da gibt es große Unterschiede. Doch auch hier scheint sich Qualität so langsam herumzusprechen und durchzusetzen.

Fakt ist: Selbst wenn die Zweitakter bei umsichtiger Behandlung zuverlässig sein können: Die Käufer wünschen in erdrückender Überzahl einen Viertakter. Punkt. Zweitens: Ein Großteil der Dreiachspiloten wünscht sich ein geschlossenes bzw. ein im Winter schließbares Cockpit. Und schließlich drittens: Zu viele der heutigen Piloten kennen die Spornradfliegerei nur vom Hörensagen und hätten gerne ein Bugradfahrwerk, was mit mehreren der extrem kostbaren Kilos zu veranschlagen ist.

Bislang ist es noch keinem einzigen Konstrukteur / Hersteller der heute käuflichen Muster gelungen, alle drei Anforderungen des Marktes innerhalb der 120 kg – Limits zu realisieren.

Vom klassischen Sirocco, den zuletzt Jens Higgen serienreif machen wollte und der mit B+S – Viertakter plus Bugrad plus Cabrio-Variante für den Sommer vielen Piloten sehr gut gefallen hätte, ist nach jahrelangen leeren Versprechungen nichts mehr zu hören. Es steht zu befürchten, dass diese Anzeige das letzte, nun anonyme Lebenszeichen dieses Musters ist:

Der Sirocco ist damit nach dem Ekolot „Elf“ das zweite Muster aus der Zeit des Hypes, das damals wie geschnitten Brot hätte verkauft werden können und nach jahrelangem Hin und Her als gescheitert zu betrachten ist, da die technische Realisierung innerhalb der gegebenen Rahmenbedingungen nicht in den Griff gebracht wurde. 2013 durfte ich einen glücklichen Ekolot – Importeur zitieren: “Alle Änderungswünsche, die sich aus der Präsentation des Prototyps auf der AERO 2012 ergaben, sind vom Hersteller erfüllt!. Und das Gewicht stimmt auch!“

Zu schön, um wahr zu werden. Der Motorsegler „Elf“ hätte ein tolles Marktpotenzial gehabt. Er sollte inklusive geschlossenem Hänger unter 40.000 € kosten. Leider alles leere Worte…

Zur Erinnerung: Ekolot stellte den „Elf“ zunächst mit Verner Viertakt-Boxer als 120 kg – Flieger vor. Der Ekolot-Boss patzte dann aber auch in der zweiten Runde .Trotz Einsatz eines Zweitakters wog der „Elf“ weit mehr als 120 kg und blieb rotzdem die nötigen Festigkeitsnachweise schuldig. Der immer wieder vertröstete und belogene Importeur warf dann das Handtuch, auch weil er in die Sicherheit der Flieger kein Vertrauen mehr hatte.

Wo auch immer die Ursachen gelegen haben mögen: Die nötige Leistung, um einen guten Flieger in das 120 kg – Limit hineinzubauen, wurde und wird von den meisten unterschätzt. So geht es der 120 kg – Klasse zunächst wie in einem Italo-Western: „Leichen pflastern ihren Weg“. Und auch bei manchen Mustern, die ihre Zulassung haben oder demnächst (hoffentlich endlich) bekommen, muss man sich fragen, ob sie die nötigen Stückzahlen verkaufen werden, um überleben zu können.

Vorbildlich: Nicht getunter B+S mit 810 ccm und 33 PS und Direktantrieb.

Dringend benötigt wird ein Viertakter für die langsameren Geräte, der mit Getriebe deutlich unter 30 kg wiegt. Aber wer wird bei den geringen LL -Stückzahlen in die Entwicklung investieren? Für schnellere Muster wie die SD-1 steht der Direkttriebler von Spacek zur Verfügung (Ein nicht getrunter B+S 810 ccm). Wer mit dem Gewicht klarkommt wie Uwe Post mit seiner 120 kg -SD-1, hat den idealen LL-Motor gefunden. Doch selbst die winzige SD-1 kann  bislang die dritte Forderung nach einem Bugrad nicht innerhalb des 120 kg – Limits erfüllen.

 

Der Beitrag wird fortgesetzt: In Teil 2 geht es dann gezielt um die Flieger, die sich trotz aller Probleme durchgesetzt haben und weiter durchsetzen werden.