Annex 2 – Flieger auf dem Prüfstand

Die sogenannte „Basic-Regulation“ Nr. 216 / 2008 des EU-Parlaments legt fest, welche Flieger nach gemeinsamem EU-Recht betrieben werden müssen, um einen europa-einheitlichen, hohen Sicherheitsstandard zu gewährleisten, der von der gemeinsamen Institution EASA überwacht wird. Daneben sind im „Anhang 2“ die Fluggeräte gelistet, für die weiterhin nationale Besonderheiten gelten dürfen. Zahlenmäßig wichtigste Gruppe der „Annex 2-Flieger“ sind in Deutschland die „Luftsportgeräte“.

Mit den besonderen Freiheiten und Erleichterungen, die den „Ultraleichten“ nach deutschem Recht gewährt werden, könnte es teilweise aber schon bald ein Ende haben:

Die EASA arbeitet an einer Revision der Basic-Regulation und dabei auch an einer Überarbeitung der Liste der Annex 2 – Flieger.

Denkansatz der EASA: Statt des Gewichtskriteriums sollen die Kriterien Gefahrenpotenzial und Komplexität des Gerätes in den Vordergrund rücken. Das geschieht nicht in Geheimdiplomatie. Ab Seite 10 unter 3.2.3. kann das jeder im barrierefrei zugänglichen Dokument nachlesen:

A-NPA 2014-12

Entsprechend könnte in Zukunft so verfahren werden:

Flieger mit potenziell höherem Risiko – Potenzial (Performance / Flugcharakteristik etc.) und höherer Komplexität (Verstellpropeller, Einziehfahrwerk etc.) würden aus dem Annex 2 entfernt werden, auch wenn sie die heutigen Kriterien als UL erfüllen.

Nur für risikoarme, einfach zu fliegende, nicht-komplexe kleine Flieger mit geringerer Performance könnte es dann noch Erleichterungen nach nationalem Recht geben.

Davon dürften dann aber auch Flieger profitieren, welche die Gewichtsgrenze heutiger UL übersteigen, wenn sie denn einfach gehalten sind und ein geringes Risiko-Potenzial aufweisen!

Man kann sich das in der Praxis wohl etwa so vorstellen:

Ein High-End – Ul im Tandem-Konzept eines Militärtrainers mit Einziehfahrwerk, Verstellprop und 300 km /h Performance würde in Zukunft nicht mehr unter Annex 2 fallen, sondern wie ein LSA unter europäischem EASA – Regime zu betreiben sein. Was im Grunde der heutigen Praxis entsprechen würde. Denn es gibt ja kaum eine derartige Neuentwicklung mehr, die nicht fast unverändert mit höherem MTOW als LSA angeboten werden soll.

Könnten schon bald aus der Liste der national geregelten Annex 2-Flieger gestrichen werden: Schnelle, komplexe UL wie der „Blackshape Prime“ unterliegen dann den einheitlichen europäischen Regelungen.

Könnten schon bald aus der Liste der national geregelten Annex 2-Flieger gestrichen werden: Schnelle, komplexe UL wie der „Blackshape Prime“ unterliegen dann den einheitlichen europäischen Regelungen.

Der Ansatz ist also nicht ganz unlogisch. Auch viele E-KLasse Eigner / Piloten fragen sich schon lange, aus welchen sachlichen Gründen ein komplexer, sehr schneller und anspruchsvoller Flieger mit „Jet-Feeling“ die enormen Erleichterungen eines Annex 2 – Gerätes genießen soll, während ihre technisch und fliegerisch sehr einfachen Geräte im Stil z.B. einer Piper J3 einem unvergleichlich höherer Aufwand in Zulassung und Wartung unterzogen werden, nur weil sie einige Kilo mehr auf die Waage bringen, aber ansonsten extrem harmlose Flieger sind.

Langsame, einfache E-Klasse-Flieger bis 600 kg MTOW wie z.B. die Piper J3 C, die ein geringes Risiko-Potenzial aufweisen, könnten dagegen in die Annex 2 - Liste aufgenommen werden. Die deutschen Behörden hätten dann die Möglichkeit, für diese Geräte ein stark vereinfachtes Regelwerk in Zulassung und Unterhalt anzuwenden, wie das bei den UL der Fall ist.

Langsame, einfache E-Klasse-Flieger bis 600 kg MTOW wie z.B. die Piper J3 C, die ein geringes Risiko-Potenzial aufweisen, könnten dagegen in die Annex 2 – Liste aufgenommen werden. Die deutschen Behörden hätten dann die Möglichkeit, für diese Geräte ein stark vereinfachtes Regelwerk in Zulassung und Unterhalt anzuwenden, wie das bei den UL der Fall ist.

Mit dem EASA- Ansatz würde die Definition einfacherer und preiswerter zu betreibender Flieger im Annex 2 mit ähnlicher Logik erfolgen, wie das in den USA bei den LSA geschieht: Hier gibt es ganz erheblichen Erleichterungen in Zulassung und Betrieb nur im Gegenzug zu einem Bekenntnis zur Einfachheit: Weder Einziehfahrwerk noch Verstellpropeller sind erlaubt, ja sogar eine Limitierung der Höchstgewschwindigkeit gibt es. Und trotzdem – oder deshalb – ist die Klasse ein Riesenerfolg. Ganz im Gegensatz zu den europäischen LSA, die alles technisch Machbare auch umsetzen dürfen – und dafür am komplizierten Regelwerk, das kaum einer erfüllen mag oder kann, gerade förmlich ersticken.

Für die „Leichten Luftsportgeräte“ erscheint jedenfalls der Platz in einem nach den EASA-Intentionen abgeänderten Annex 2 schon jetzt gesichert.

Einfachheit und minimales Gefährdungs-Potenzial sind durch die bewußte Performance-Begrenzung kaum noch zu steigern. Ergänzt könnten diese kleinen Flieger im Sinne des EASA-Konzeptes werden durch eine unter nationaler Regelung verbleibenden UL-Klasse, die sich ähnlich wie die amerikanischen LSA mit einer Begrenzung des technisch Machbaren zufrieden gibt.

Die Frist zur Abgabe der Stellungnahmen zum EASA-Papier durch die obersten Luftfahrtbehörden der europäischen Mitgliedsstaaten ist abgelaufen. Auch alle anderen Stellen waren eingeladen, ihre Vorschläge einzureichen: Denn das Papier „…is addressed to the aviation community in the public or private sector and to aviation experts involved in professional or recreational activities. All addressees are invited to contribute by answering the questions listed in this document.“

Auf die Ergebnisse darf man gespannt sein. Einige Kommentare sind schon öffentlich zu gänzlich, z.B. die teilweise positive Resonanz aus England:

https://www.caa.co.uk/docs/620/20140911EASACRTANPA201412.pdf

Geht es doch immerhin um die Idee, die „Leistungs-Spitze“ der heute national geregelten UL unter die Fittiche der EASA zu nehmen. Aber: Im Gegenzug könnte eine neue, etwas bescheidenere UL-Klasse und dazu außerdem noch nach USA-Vorbild eine einfachere LSA-Klasse bis 600 kg MTOW als Annex 2 – Flieger abseits des EASA-Regimes installiert werden. Das wäre aus Sicht vieler Piloten, die ein solides, nicht komplexes Gerät mit mit mehr Gewicht und Zuladung als beim UL möchten, das aber trotzdem ähnlich einfach und preiswert wie ein UL zu betreiben ist, ein großer Gewinn.

Wie auch immer: Die Sache ist höchst spannend, aber das Interesse der UL-Piloten scheint sich in engen Grenzen zu halten.

Mitgliederversammlung des 120 kg-Verbandes VMLL auf der Wasserkuppe

September 2014: Der Tagungsort des Verbandes zur Förderung der motorisierten Leichten Luftsportgeräte im Segelflieger-Eldorado auf der Wasserkuppe war bereits Programm: Durch die Teilnahme mehrerer Mitglieder, die auch im Deutschen Ultraleicht-Segelflugverband DULSV engagiert sind, rückte das Thema „Schulterschluss“ zwischen den beiden 120 kg – Verbänden in den Focus. Schließlich hat man nicht nur die gemeinsamen Bauvorschriften LTF-L (motorisiert / nicht motorisiert), sondern auch dieselbe Philosophie: Einfaches, stressfreies Fliegen mit möglichst geringem Leistungs- und Kostendruck.

Und man hat auch den gemeinsamen Ärger mit dem für beide Verbände unbezahlbaren Zertifizierungswahnsinn, wie er durch die Deutsche Akkreditierungsstelle DAkkS den kleinen Fliegern aufgezwungen werden soll.

Die DAkkS als Totengräber der 120 kg Segelflieger

Die Kosten von 50 bis 60.000 Euro, die bei der DAkkS – Zertifizierung einer Prüfstelle für die 120 kg Dreiachser anfallen, können nicht einmal andeutungsweise über Musterprüfungen neuer Geräte wieder eingespielt werden. Ganz zu schweigen von etlichend tausend Euro pro Jahr, die die DAkkS für den laufenden Betrieb fordert. Unter diesen Bedingungen wird es daher keine Prüfstelle geben.

Die motorisierten Geräte haben dadurch keine Nachteile. Im Gegenteil: Sie können von der günstigeren und flexibleren „Europa-Zulassung“ Gebrauch machen, die in § 11 Abs. 4 LuftGerPV als 100 Prozent legale, unmittelbar gültige Alternative benannt wird.

Da es im europäischen Umland jedoch (noch) keine Ul – Segelflieger und entsprechende Zulassungen gibt, haben die 120 kg – Segelflieger diese Alternative leider nicht. Nicht einmal drei neue motorlose Geräte, deren Prüfung noch unter dem DAeC Luftsportgeräte-Büro zu 95 Prozent bis Ende 2013 durchgezogen worden war, können in Verkehr gebracht werden!

Gemeinsame Schnittmenge: Motorisierte Segler

Dr. Gerhard Wagner, Konstrukteur der GFW-4 mit Elektro – Umlaufmotor für die 120 kg -Klasse

Motorsegler fallen ohnehin in den „Zuständigkeitsbereich“ des VMLL. Entsprechend machte es Sinn, dass Dr. Gerhard Wagner der „Motorfraktion“ seine neuste Konstruktion vorstellte, die GFW-4 mit Elektro-Umlaufantrieb. Die Französische UL-Zulassung, die als Basis für den 120 kg -Betrieb „unmittelbar“ gültig ist, lässt auch Elektroantriebe zu.

Deshalb können so Flieger mit dieser zukunftweisenden Technik schon heute legal bei uns in die Luft kommen. Das gilt freilich nur für die LL / leichten Luftsportgeräte, welche die Eckwerte der 120 kg –Klasse nach § LTF-L3 nachweisen können.

GT_GFW-4_Rumpfzeichnung-neu

Ebenfalls diesen Weg wird Michael Oswald beschreiten, um seinen „Luftikus“ in einer Version mit Elektroantrieb als motorisiertes LL fliegen zu können.

DSC06966

Dr. Ing. Werner Eck präsentierte einbaufertige „Standard-Pakete“ der Geiger Engineering Elektroantriebe

In diesem Zusammenhang stellte Dr. Werner Eck / Geiger-Engineering bereits heute verfügbare und ausreichend erprobte Komplettsysteme vor. Ein „Paket“ mit 16 Kw Leistung zu Preisen ab 8.000,- Euro wird z.B. die Elektro-Variante des Motorseglers „Song“ von Gramex antreiben.

Nicht zuletzt mit Blick auf diese gemeinsam zu nutzenden Antriebsalternativen begrüßten die VMLL-Mitglieder einhellig den Schulterschluss mit den Segelflieger-Kollegen. Es ist zu hoffen, dass nun auch beim DULSV die mögliche Kooperation mit der „Motorfraktion“ zumindest einmal diskutiert wird. Angesichts der desaströsen Zulassungssituation verhält sich der Segelflieger – Verband bislang „wie das Kaninchen vor der DAkkS-Schlange“. Zusammen mit dem VMLL würden sich wahrscheinlich die Erfolgs-Chancen bei der Verhandlung mit Ministerium und LBA verbessern.

PP Seitenansicht

Der „Paris Parasol“ wurde bereits auf der AERO 2013 vorgestellt (Rumpf, Fahrwerk, Leitwerk). Nun wird das Projekt zur Zulassungsreife gebracht

Dipl. INg. Hans-Peter Schneider, 1. Vorsitzender des VMLL und Konstrukteur der "Paris Parasol"

Dipl. Ing. Hans-Peter Schneider,        1. Vorsitzender des VMLL und Konstrukteur des „Paris Parasol“

Eine gute Nachricht noch für Amateurbauer: Auf der Mitgliederversammlung hat sich eine Gruppe rekrutiert, die nun den Bau des Paris Parasol von Dipl. Ing. Hans – Peter Schneider weiterführen wird. Der Antrieb, ein Wankel von Woelfle, ist schon bestellt!

Der Verband freut sich über weitere „Mitstreiter“, die bereit sind einzelne Aufgaben bei diesem anspruchsvollen Projekt zu übernehmen.

Mehr über den Verband zur Förderung motorisierter Leichter Luftsportgeräte:

www.vmll.de