Erst nach langem Zögern wurde 2010 die Klasse der 120 kg Motor-Dreiachser ins Leben gerufen – Motorschirme und Flächen-Trikes durften schon seit 2001 die Freiheiten des deregulierten Fliegens genießen (Siehe Historie). Auf Seiten des Ministeriums bestand nämlich die Sorge, dass ein von Medical-Ängsten geplagtes Segment der Altersgruppe „65 Plus“ nun weitestgehend unkontrolliert und daher entsprechend ungeniert mit „Bonsai-Racern“ durch die Gegend brettern könnte. Denn mit modernsten Materialien und aufwendigen Herstellungsmethoden lassen sich für eine gleichermaßen zahlungskräftige wie zahlungswillige Zielgruppe auch mit 120 kg Leergewicht leistungsfähige Geräte bauen, die locker die 200 km/h – Marke knacken. Zu Preisen ab 60.000,- Euro aufwärts. Daher wurden entsprechend der Forderung der Behörde in den Bauvorschriften wirksame Leistungsbegrenzungen wie die Flächenbelastung von maximal 25 kg / qm integriert.
Wie gut die ministeriell eingeforderte Zielgruppen-Beschneidung via Performance-Beschränkung funktionierte, lässt sich anschaulich an den Besuchen dieser reinen 120 kg – Seite zeigen. Nachdem sich die Wogen um die „Kastration“ der 120er geglättet hatten, sah das Altersprofil (Google Analytics) der Leser von „ultraleicht120“ so aus:
Die große Mehrheit der Interessenten hatte sich nolens volens mit den Performance-Beschränkungen arrangiert, und die „Best-Ager“ zwischen 45 und 64 machten zusammen mit rund 60 % den klar dominierenden Löwenanteil der Besucher aus. Das Segment der nach oben offenen Altersgruppe 65+ war in Relation zu der Alterspyramide sogar überraschend klein. Offensichtlich war die „gebremste“ 120 kg – Klasse für ältere Herren, die auch mit kleinen Fliegern noch mal so richtig „zur Sache kommen“ wollten, ziemlich uninteressant geworden. Umgekehrt konnten sich auch trotz der Performance-Beschränkungen immer mehr Piloten in den Vierzigern und Fünfzigern mit dem „wirklich leichten Fliegen“ identifizieren.
Nach Veröffentlichung des untenstehenden Blog-Berichts, dass die Performance-Begrenzungen der LTF-L durch die anerkannten Prüfungen nach LTF-UL oder anderer europäischer UL-Zulassungen ersatzlos gestrichen sind, sah das Altersprofil der Besucher in den folgenden Tagen plötzlich so aus:
Das spontane „Zucken“ der Besucher-Altersstrukturen darf aus Marketing-Sicht durchaus als Hinweis darauf gewertet werden, dass da nach wie vor etliche potenzielle ältere Käufer kräftig mit den Hufen scharren. Piloten, deren Alter statistisch gleichermaßen hohe Kaufkraft wie Kaufbereitschaft verspricht. Eine Zielgruppe, die damals schon der „AIRector“ von Air Sports Aircraft im Visier hatte.
So wäre es denkbar, dass dieser oder ein ähnlicher Flieger in High-Tech Leichtbau nun einen Anlauf auf den 120 kg – Markt nehmen würde. Der AIRector, vom ehemaligen Technik-Referenten des DULV entwickelt, der auch Verhandlungs-Partner der Behörde in Sachen 120 kg – Klasse war, wurde damals durch die vom Ministerium geforderten Leistungs-Begrenzungen „ausgebremst“.
Der Gedankengang des Ministeriums, die „deregulierten“ Dreiachser durch Performance-Beschränkungen an die langsamen, gewichtskraftgesteuerten 120 kg -Flieger anzugleichen, ist durchaus nachvollziehbar, wenn auch nicht nach jedermanns Geschmack. Doch immerhin haben sich namhafte Hersteller, allen voran Weller Flugzeugbau und Roland Aircraft, unter größten Mühen daran gemacht, attraktive Flieger in die gegeben Bauvorschriften hinein zu konstruieren. Roman Wellers Uli NG hatte die Zulassung als UL und wäre nach heutiger Handhabung ohne jede Änderung als LL eingetragen worden. Stattdessen musste er mit beträchtlichem Zeit- und Kostenaufwand die komplette Prüfung nach LTF-L durchlaufen – die im Aufwand einer Prüfung nach LTF-UL 2003 nicht nachsteht. Und von Wellers neuem „Rebell“ sind 4 in der Luft und über 10 verkauft. Was, wenn jetzt der eine oder andere Kunde einen überarbeiteten Rebell mit weniger Fläche wünscht? Roland Haukes „Relax“ ist nach langwieriger Entwicklungsarbeit und neuer Konstruktion einer entsprechend LTF-L vergrößerten Fläche jetzt endlich serienreif und wird von einer großen Anzahl potenzieller Käufer sehnsüchtig erwartet. Alle Teile des komplett überarbeiteten Fliegers sind für die CNC-Fertigung fertig konstruiert und teilweise vorproduziert. Jetzt beginnt die Montage des ersten Serienmodells. Gleichzeitig stellt sich für Roland Hauke die Frage, ob er nicht wieder auf die kleinere Fläche zurückgehen soll, die von der Mehrzahl der Kunden bevorzugt sicher bevorzugt würde.
Alle diese Mühen und Kosten rund um die Beschränkungen des § LTF-L3 hätten sich die hier nur exemplarisch genannten Hersteller und die vielen hier nicht genannten anderen Anbieter, die bislang an 120 kg – Konzepten gearbeitet haben, sparen können. Schlimmer noch: Durch die entsprechend der damaligen Forderung des Ministeriums „eingebaute“ Performance-Bremse haben ihre Produkte nun einen entscheidenden Nachteil im Markt. Denn dass schnellere Geräte das größere Kaufinteresse wecken, ist offensichtlich. Wer bezahlt diesen „Kollateralschaden“ beim Zulassungs-Monopoly, wenn der Hersteller eine zeitlich falsche „Ereigniskarte“ gezogen hat?
Und das alles nur, weil das Ministerium seine eigenen Gesetze, insbesondere den §11LuftGerPV, nicht in vollem Umfang verstanden hat. Die Brisanz des Absatz 4, der jede europäische UL-Zulassung „unmittelbar“ als Voraussetzung für den Betrieb in der 120 kg – Klasse anerkennt, wurde von den Machern des Gesetzes wohl nicht wahrgenommen. In der Praxis ist nun die Bauvorschrift LTF-L zugunsten der Bauvorschrift LTF-UL 2003 sang- und klanglos in der Restmüll-Tonne gelandet. Ein in der Sache identisches Ergebnis hätte das Ministerium auch fünf Jahre früher haben können, als DULV und DAeC die Anwendung der LTF-Ul 2003 für die 120 kg – Klasse forderten.
Aber – wer weiß. Vielleicht wurde von der zuständigen Abteilung des Ministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, die im Schulterschluss mit DULV und DAeC nunmehr keinen Änderungsbedarf am § 11 LuftGerPV sieht, die Tragweite dieser Aussage noch nicht in allen Konsequenzen überblickt.
Und: Wie schon die ganze Zeit über hat sich das Ministerium niemals schriftlich, d.h. nachvollziehbar und verlässlich geäußert oder über die Beauftragten Verbände eine offizielle Verlautbarung zur Handhabung des § 11 LuftGerPV veröffentlichen lassen. Es geht nicht an, dass Piloten / Käufer, Hersteller und Importeure sich auf „unter der Hand“ gegebene Zusagen oder auf die von den Beauftragten „still und leise“ vollzogenen Anerkennungen als LL verlassen sollen. Die deutsche LL- Bananenrepublik lässt sonst schön grüßen.
News: Ergänzung 30.12.15
Auf Nachfrage beim Ministerium teilte heute der Leiter des zuständigen Bereichs mit, dass die hier veröffentlichte Interpretation des § 11 LuftGerPV korrekt ist und dass nun keine Nachweise der Flächenbelastung etc. aus § LTF-L3 gefordert werden.
Zweitens: Es werde gerade eine entsprechende schriftliche Verlautbarung für die beauftragten Verbände ausgearbeitet, um Klarheit und Rechtssicherheit für Verbände, Hersteller und Piloten in dieser Frage herzustellen.
Das ist eine wirklich gute Nachricht! Die Sorge, dass die Sache „unter der Hand“ wie in einer Bananenrepublik gehandhabt werden könnte, ist dann zum Glück unbegründet.
Auch ist sehr positiv zu vermerken, dass das Ministerium selbst „zwischen den Jahren“ bereit war, zu der Frage mit einer klaren Aussage Stellung zu beziehen. Schließlich sind die 120er ein recht unwichtiger „Krümel“ innerhalb des Verantwortungsbereichs im BMVI.