Im Kopfkino der Kritiker der kleinen Klasse und der verantwortlichen Ministerialbeamten spielte sich vor sechs bis acht Jahren rund um die Installation der 120 kg – Dreiachser ganz Fürchterliches ab: Halb erblindete Piloten-Greise, die sich im Alter nicht mit Anstand von der geliebten Fliegerei verabschieden können, entern mit Hilfe eines Rollators und der Ehefrau ihre leichten, aber ausgefuchst konstruierten Fluggeräte, um dann mit 180 bis 200 km / h quer durch deutsche Lande den Luftraum unsicher zu machen.
Und in der Tat: Auf der Aero und bei den damals ganz wenigen 120 kg – Flugzeugbauern tauchten vereinzelt Gestalten auf, bei denen dieses Horror-Szenario Realität zu werden drohte. Überhaupt fand die neue LL-Klasse zunächst gerade bei den älteren Semestern hohen Anklang.
Die Senioren sorgten bei den LL-Dreiachsern für ein fragwürdiges Image.
Das war der signifikante Unterschied zu den gewichtskraftgesteuerten LL, den kleinen Trikes und insbesondere den Motorschirmen, wo sich mehrheitlich junge Piloten zuhause fühlten. Bei der Senioren-Sektion der Dreiachser gab es außerdem noch eine finanziell potente Untergruppe von Piloten, die zwar in Zukunft einen großen Bogen um den Fliegerarzt machen, aber trotzdem weiterhin so schnell und dynamisch wie möglich mit einem kleinen 120er – Flieger unterwegs sein wollten. Koste es, was der Flugzeugbauer dafür auch haben wollte. Leider hat diese kleine, aber medial „hervorragende“ Untergruppe von Piloten und potenziellen Herstellern lange Zeit das Bild der 120er negativ geprägt. Und zwar unnötig. Denn diese Gruppe wurde herb enttäuscht und dezimiert.
Erstens: Bekanntlich machten es die spät verabschiedeten Bauvorschriften über etliche Jahre so gut wie unmöglich, mit maximal 25 kg Flächenbelastung und einer Vmin von 55 km/h ein schnelles, dynamisches Gerät zu bauen. Zweitens: Die ersten praktischen Erfahrungen mit dem Bau von 120 kg – Konstruktionen zeigten, wie schwierig es ist, selbst einfachere, nicht leistungsorientierte Modelle innerhalb der 120 kg – Grenzen in sicherer, verlässlicher Ausführung zu bauen. Drittens: 99 Prozent aller eifrigen Disputanten, Konstrukteure und Aufsichtsbeamten hatten damals keinerlei Ahnung bzw. praktische Erfahrung, wie sich ein 120er fliegt. Es gab ja fast keine.
Die Wogen sind geglättet, die Spreu vom Weizen hat sich am Markt getrennt.
Heute haben wir dagegen endlich in Sachen Bauvorschriften eine „politisch“ weitgehend entspannte Situation und wir haben auch einige Jahre praktische Erfahrung mit zumindest drei ausreichend verbreiteten Mustern gesammelt (Siehe „Hoffnungsträger“ 1-3). Und so langsam bekommen alle aktiv Beteiligten eine realistische Vorstellung davon, wozu und für wen die kleinen Flieger gut sind. Und für wen eben nicht. All das hat zu einer aus Sicht des Verfassers erfreulich geschichteten Alterspyramide der 120er-Interessenten geführt, wie sich das an den Besuchern dieses Blogs nachzeichnen lässt (Grafik und Prozente aus 6 Monaten Mitte 2018, Messung über „Adsense“):
Durchgängig stärkste Lesergruppe sind die 45- bis 54-Jahrigen. Also „Männer im besten Alter“ (In der Leserschaft gibt es leider so gut wie keine Frauen). Sorge wegen des Medicals hat dieser Gruppe kaum.
Weniger als 12 Prozent der LL- Dreiachser-Interessenten sind über 65.
Zusammen mit den noch 35- bis 44-Jährigen und den 25- bis 34-Jährigen bilden die 45 bis 54-jährigen mit fast 70 Prozent eine für Dreiachser-Flieger erfreulich junge, breite Basis. Anders gesagt, wenn wir nun auch die Gruppe 55 bis 64 Jahre einschließen: Über 88 Prozent der Leser bzw. Interessenten sind unter 65, nicht einmal 12 Prozent sind über 65. In manchem Verein ist das ziemlich anders….
So weit, so gut. Wenn aber fast 90 Prozent derer, die sich für LL-Dreiachser interessieren, zum allergrößten Teil statistisch keine Angst vorm Fliegerarzt haben müssen: Worin liegt dann die Motivation, einen extrem kleinen und leichten Flieger zu besitzen?
Da wäre natürlich das ganze, über die Medical-Freiheit weit hinausgehende Bündel an Bürokratie-Freiheit zu nennen. Man bekommt nicht von irgendwelchen Institutionen gesagt, was, wann und wie zu tun ist. Nur das Ergebnis zählt: Pilot und Gerät müssen lufttüchtig und der Pilot ausreichend in fliegerischer Übung sein. Aber niemand kontrolliert oder gängelt. Es gibt keine „Übungs-“ sprich Überprüfungsflüge. Halter und Pilot agieren hundertprozentig eigenverantwortlich. Das gefällt gerade auch den Jüngeren.
Das „wahre“, ursprüngliche Fliegen mit einem Hauch von Abenteuer.
Doch es muss vor allem auch der Reiz des ursprünglichen, „echten“ Fliegens in den kleinen Kisten sein. Es hat sich herumgesprochen, dass so leichte, kleine Flieger keine gute Wahl für ältere Herrschaften sind, die in Ruhe, möglichst einfach und ohne besonderere Anforderungen an die Reaktionsfähigkeit etc. ihren fliegerischen Lebensabend zubringen wollen. LL- Flieger wie der Rebell oder die SD-1 verlangen spezielles und teilweise auch größeres fliegerisches Können als viele große UL oder gar E-Klasse – Flieger wie Cessna 152 oder 172. Ein LL -Pilot wird beim Umsteigen auf eine Cessna rein fliegerisch schnell zurecht kommen. Ein Cessna-Pilot, der noch nichts nichts anderes geflogen hat, wäre in einem LL ohne zusätzliche, vorbereitende Schulung in Lebensgefahr.
Allgemein darf man sagen: Je schwerer ein Flugzeug in der Gruppe der „kleinen“ Einmotorigen bis etwa 800 kg Leergewicht ist, desto leichter ist es zu fliegen. Insbesondere bei starker Thermik und ungewissen Windverhältnissen. Gekränkte E-Klasse – Piloten mögen jetzt mit Steinen nach mir werfen. Als ehemaliger Cessna- und Piper – Pilot in jungen Jahren, der sich in fortgeschrittenem Alter konsequent bis zu minimalistischen Spornrad-Geräten „heruntergearbeitet“ hat, kann und darf ich das aus eigener Erfahrung sagen. Zumal mir das von Fliegerfreunden mit extrem hoher Erfahrung auf unterschiedlichsten Mustern bestätigt wurde.
Kurz: Gerade auch den Jüngeren vermitteln die extrem leichten Geräte, die fliegerisch eine gewisse Sportlichkeit voraussetzen und intensivere sowie feinfühligere Arbeit am Knüppel abverlangen, ein Quäntchen Abenteuer. Sozusagen das Salz, das in der Suppe der „Transport-Flieger“ fehlt. Genauer: Fehlen muss. Denn wenn die Reise von A nach B die Aufgabe ist, dann sind die intensiven Reize und Anforderungen, welche ein LL in jeder Flugminute liefert, natürlich nur lästig. Insbesondere die rigorose Forderung beim LL-Fliegen, konsequent immer ein Auge auf ein geeignetes Notlandefeld zu haben. Fast keiner meiner LL-Fliegerfreunde konnte, genau wie ich selbst, ungewollte Segelflug-Landungen wegen Motorproblemen vermeiden. Dieses Quäntchen Abenteuer, das technisch nicht hundertprozentig Perfekte, zusammen mit dem ursprünglichen Erleben, sich mit einfachsten Mitteln in der dritten Dimension zu bewegen, das macht für viele Piloten die Faszination der kleinsten aller Flieger aus.
„Mit einfachsten Mitteln“ bedeutet natürlich aber auch: Spürbar preisgünstiger als die sonstige (recht teure) Fliegerei mit Motor-Dreiachsern sollte das schon sein. Und damit ergibt sich die entscheidende Weichenstellung für die rund 90 Prozent aller LL-Interessierten, die kein Problem mit dem Medical haben, durch diese Frage:
Wie viel darf der spezielle „Kick“ des LL-Fliegens kosten?
Für 35.000 Euro bekommt ein junger Familienvater einen guten gebrauchten Doppelsitzer mit zuverlässigem Rotax 912. Damit kann er sehr viel sorgenfreier und auch einmal weiter weg fliegen. Ganz zu schweigen davon, dass die bessere Hälfte jederzeit als Co-Pilotin das Flugerlebnis teilen kann.
Anders gesagt: Um stattdessen für 35 TSD Euro einen neuen einsitzigen Rebell mit kleinem Industriemotor zu kaufen, muss die Begeisterung für den speziellen „LL-Kick“ schon recht groß sein. Das wird erst dann etwas besser, wenn kleine LL – Flieger in etlichen Jahren für 15 bis 18 TSD Euro gebraucht zu haben sind.
Und ein großes Fragezeichen steht im Raum, welche Altersgruppe wohl ein tolles, aber immerhin über 70.000 Euro teures Hochleistungs – LL wie den „Corsair“ von Jörg Hollmann kaufen wird. Ein junger Pilot mit gültigem Medical wird fürs gleiche Geld bei den UL praktisch neuwertige Flieger kaufen können, die nochmals deutlich schneller und dynamischer sind. Wer also besondere Flugleistung sucht und 70 TSD Euro in ein High-Tech-LL statt in ein schnelles UL investiert, ist wohl schlecht beraten. Richtig Sinn macht ein so teures LL wohl nur für jene, die auch ohne Medical möglichst schnell, hoch und weit unterwegs sein wollen. Siehe oben, Stichwort Rollator.
Was für jüngere Leute fehlt, ist auf der anderen Seite der Angebotspalette ein einfaches, besonders preiswertes und trotzdem auch emotional ansprechendes Lowe + Slow – Fliegerchen. Neu für maximal 20 TSD Euro. Trotzdem möglichst mit einem kleinen Viertakter. Und – natürlich, das ist dann ein Muss – mit Klappflügeln. Finanziell betrachtet, die fliegende Alternative zu einem schweren Motorrad. Ein Spaß-Gerät ohne Strecken-Ambition, das im eigenen Carport oder in der Garage ohne monatliche Stellplatzkosten unterkommt.
Das gibt es schon. Aber leider nur bei den gewichtskraftgesteuerten LL. Über die möglichst bald nach diesem Zwischenruf hier berichtet wird.