Erster Hoffnungsträger: AEROLiTE 120
Kein Zweifel. Nach dem anfänglichen Hype war die 120 kg – Blase regelrecht geplatzt und hatte alle Worthülsen-Anbieter mal mehr, mal weniger nass gemacht. Zum Beispiel auch die kurzzeitig zum Deutschland-Importeur des amerikanischen Aerolite103 avancierte Firma Parazoom von Jens Higgen, die neben den recht erfolgreich vermarkteten Trikes nun auch in die Dreiachser-Liga aufsteigen wollte. Doch dazu mussten ja Bauvorschriften eingehalten, Festigkeitsnachweise erbracht werden etc.
Ein Ehepaar packt zu.
Als sehr lange Zeit bei Parazoom überhaupt nichts vorwärts ging und der Bausatz des ersten 103er mehr oder weniger unberührt herumlag, griffen Thilda und Wolfgang Labudde zu: Das Ehepaar aus Mecklenburg – Vorpommern, Inhaber / Geschäftsführer der Firma VIERWERK, kaufte die Rechte plus Bausatz, krempelte die Ärmel hoch und machte sich als „Start Up“ in Sachen Flugzeugbau an die Arbeit. Bravo!
Auch die Labuddes waren etwas blauäugig zum „Hersteller“ eines Fliegers geworden – denn so wird ein Importeur und Anbieter vom Gesetz ja gesehen. Auch sie hatten die Hürden einer Musterprüfung bzw. ersatzweise der Zulassung in einem Land der europäischen Union unterschätzt. Doch mit enormer Energie, großem Fleiß und unbeirrt von den Wogen der damaligen LL-Diskussion arbeiteten sich die Labuddes in die Materie ein und ließen sich auch von Rückschlägen nicht entmutigen. Denn als sich beim Belastungstest das Leitwerk verabschiedete, machten alle lange Gesichter. Aber das Problem konnte technisch einfach und schnell zusammen mit dem 120 kg – Zulassungs-Papst Hans-Peter Schneider gelöst werden, um das germanische Sicherheitsniveau zu garantieren. Während hunderte von Aerolite 103 in Amerika seit über einem Jahrzehnt im Urzustand fröhlich umeinander fliegen, ohne jemals ihren Schwanz zu verbiegen.
Exkurs: Was wieder einmal mehr zeigt, dass wir Deutschen in Sachen Sicherheitsvorkehrungen ganz gerne zum reichlich dimensionierten Hosenträger auch noch den eng geschnallten Gürtel ordern. Weil wir dann, mit offiziellen Stempeln auf dem Fluggerät und auf dem eigenen Hintern (Flieger-Vulgo: JNP und Medical) bar eigener Verantwortung in die Luft gehen können. Franzosen und Amerikaner checken ihre deregulierten Geräte mit ganz anderen Augen. Weil sie für sich und den Flieger volle Verantwortung übernehmen müssen. Da hilft ihnen im Fall des Falles kein offizieller Stempel.
Das ist ein interessantes, echtes 120 kg – Thema. Denn ausschließlich in dieser LL – Klasse werden vom Deutschen die Tugenden und Fähigkeiten gefordert, über die der Franzose, Amerikaner oder Italiener bei allen UL-Fliegern verfügen muss: Eigenverantwortung übernehmen!
Nach meinen Erfahrungen sind aber nur wenige deutsche Piloten dazu in der Lage, die schier unglaubliche Bürokratie-Freiheit der 120er als großartiges Geschenk für jeden mündigen Bürger / Piloten zu begreifen. Vielmehr haben sich für mich die Anzeichen dafür verdichtet, dass sich der deutschen UL-Pilot mehrheitlich, wenn auch großenteils klammheimlich, davor fürchtet, selbst in großem Umfang Eigenverantwortung zu übernehmen. Lieber begibt er sich in die Hände der ihn selbst und sein Gerät gängelnd regulierenden Institutionen, die ihm den Löwenanteil der Verantwortung (und dabei immer auch einen großen Geldbetrag) abnehmen. Auch das dürfte einer der Gründe sein, warum die 120er ein Nischenprodukt im deutschen UL-Markt bleiben werden. Exkurs Ende.
Zurück zu den mutigen, tüchtigen Labuddes: Sie lassen nicht locker und haben schon bald die Zulassung für die überarbeitete Version des Aerolite 103 in der 120er – Klasse in Händen. Ihren Flieger nennen sie nun folgerichtig AEROLiTE 120. Er ist die in etlichen Punkten weiterentwickelte und nach deutschen UL-Standards geprüfte Europa-Version des Aerolite 103. Und die Labuddes sind die einzigen 120 kg – Anbieter, die seither auf der AERO ohne Unterbrechung vorbildliche Präsenz zeigen. Zweimal Bravo.
Verrechnet haben sie sich – wie viele andere auch – mit dem Potenzial der 120 kg -Klasse. Siehe auch oben „Exkurs“. Doch unabhängig von den fliegerischen Ausformungen der „deutschen Angst“ spüren die Labuddes Gegenwind. Auch bei einem „Start Up“ muss der Aufwand für Zulassung, technische Weiterentwicklung, Martketing, After-Sales-Service, die Pflege eines Vertriebsnetzes und nicht zuletzt die Händler-Provision irgendwann bezahlt, d. h. auf den Verkaufspreis umgelegt werden. Da steht dann plötzlich eine Zahl, die mit dem in den USA aufgerufenen Preis für den Flieger überhaupt nichts mehr zu tun hat. Und jeder von uns kennt zumindest einen „Oberschlaule“, der am Fliegerstammtisch die Preisdifferenz in erster Linie auf die Geldgier des Importeurrs / deutschen Herstellers zurückführt. Das machen die „Oberschlaules“ bekanntlich auch in den Fällen, in denen der Hersteller am Existenzminimum dahinschrappt oder schon den Konkursverwalter mit am Tisch hat. Denn in der Fliegerei kann man bekanntlich nur dann schnell eine Million machen, wenn man mit zwei Millionen begonnen hat. Das gilt für 120 kg – Flieger in nochmals deutlich zugespitzter Form. Eine ganz andere Frage ist natürlich, ob im Unternehmenskonzept für ein solches Produkt Positionen wie Händlernetz und professionelles Marketing überhaupt Platz haben.
Für den AeroLite 120 bedeutet das jedenfalls: Die Endverbraucher-Preise inklusive Mehrwertsteuer beginnen für den fertigen Flieger mit 200er Polini bei 26.000 €. Mit Rettung wird bereits die 30.000 € – Marke geknackt. Und da die klassische Konstruktions-Methode aus den Anfängen der leichten Fliegerei nicht gerade widerstandsarm ist, werden die Zusatz-PS vom nun als Option lieferbaren Polini 250 gerne abgerufen werden. Womit die „Preis-Schallmauer“ für Einfach-LL mit deutlich über 30 TSD € endgültig durchbrochen wird.
In der Philosophie des „wirklich leichten Fliegens“ nahe am Ideal.
Das ist sehr, sehrt schade, entspricht der AEROLiTE 120 doch in fast allen Punkten genau dem ursprünglichen Ideal des wirklich leichten Fliegens. Vom Laien technisch überschaubare und (in Eigenverantwortung!!) auch kontrollierbare Konstruktion. Günstige Instandsetzungskosten bei Schäden, fast alles an der Zelle ist auch vom Laien in Eigenleistung austauschbar. Verzeihende, angenehme Flugeigenschaften, entspannte, fürs Genussfliegen optimale Sitzposition. Herrliche Sicht beim Luftwandern oder bei der „Feierabend-Runde um den Dorf-Kirchturm“.
Der „Eightymade-Kit“: Super-Idee für ein Rohr-Tuch-Gerät.
Die tüchtigen Labuddes haben das zwangsläufige Preisproblem aller Einfach-LL erkannt und eine interessante Lösung dafür ausgetüftelt: Das auf der letzten AERO vorgestellte Projekt „Eightymade-Kit“. Wie der Name schon sagt, sind mit dem Baukasten nur noch zwanzig Prozent der Arbeit zu erledigen. Vor allem jener Teil, der nicht an programmierbare Werkzeugmaschinen delegierbar und wegen der händischen Erledigung teuer zu bezahlen wäre. Die Teile und Baugruppen sind passgenau und in überdurchschnittlich hoher Qualität gefertigt. Dabei ist die Konstruktion so einfach und übersichtlich gehalten, dass wirklich praktisch jeder in nur rund 100 Stunden zu einem flugfertigen Dreiachser in hoher Endqualität kommen kann. Das ist bei geschweißten und dann klassisch bespannten Konstruktionen anders. Roman Weller, über dessen Rebell noch ausführlich zu berichten sein wird, hatte daher von vorn herein beschlossen, aus Gründen der Qualität bzw. Sicherheit auf den Verkauf von Bausätzen gänzlich zu verzichten. Der AL 120 nutzt dagegen nun seinen konzeptbedingten Vorteil, um auch fürs kleinere Budget hoch interessant zu werden – ohne dass die Qualität des Endproduktes in irgend einer Weise darunter leidet. Und 100 Stunden, die man etwa investieren muss, kann jeder aufbringen, ohne den Spaß am „Selberschrauben“ zu verlieren. Bravo. Bravo. Bravo!!!
Denn die Herabstufung im Anschaffungspreis ist wichtig. Weil der Käufer vergleicht: Für seinen inzwischen zum charaktervollen Kultflieger avancierten „Rebell“ ruft Roman Weller inklusive attraktivem Zweizylinder-Viertaktmotor „nur“ etwa ab 34 TSD € auf. Allerdings muss Weller auch keine Händlerprovisionen einberechnen. Und teure Marketingmaßnahmen sind ihm ein Greuel. Aber die Firma Vierwerk kann ja wie bei den positiven Neuerungen im Produktangebot auch über Veränderungen im Vertriebskonzept nachdenken.
Jedenfalls ist dem knuffigen, sympathischen AL 120 zu wünschen, dass er sich als Einfach-LL insbesondere auch in der Bausatz-Version entsprechend preisgünstig am Markt platzieren kann. Und vielleicht gibt es irgendwann auch einen kleinen, leichten Viertakter, den die Labuddes als Alternative zu den Polinis anbieten können. Doch da der wassergekühlte Polini 250 in der Pusher-Version bereits ausreichend erprobt und für überdurchschnittlich gut befunden wurde, ist dieser einzige kritische Punkt im Anforderungsprofil zu verschmerzen. Vorausgesetzt, man hat einen Hallenplatz, der im Preis für ein Einfach – LL angemessen ist. Denn „aus dem Hänger heraus“ kann der AL 120 nicht geflogen werden.
Persönliches Fazit: Obwohl ich selbst eher ein Spornrad-Fan bin, drücke ich ganz fest die Daumen, dass der AL 120 auch insbesondere in der Bausatz-Vartiante viele neue Freunde findet. Er ist einer der wenigen „echten“ und „ehrlichen“ Vertreter der ursprünglichen 120kg – Klasse bzw. der Geräte nach Part 103 in den USA. Diese Flieger sollten in erster Linie EINFACH sein. In der Herstellung. Beim Fliegen. Bei Reparaturen. Beim Handling. Zu dieser Art unkompliziertem Flugvergnügen passt natürlich ein moderater Preis am besten. Mit dem „Eightymade-Kit“ geben die tüchtigen Labuddes, die mit ihrem Flieger zu einer verlässlichen Institution in der 120 kg – Klasse geworden sind, dem Markt die richtige Botschaft!
Zweiter Hoffnungsträger: Senkrechtstarter SD -1
Demnächst an dieser Stelle 🙂