Die 120 kg – Klasse auf der AERO 2017. Rückblick Nr.1

Ganz klar: Es ist nicht zu bestreiten, dass die 120 kg – Klasse einigen Anbietern, die „in den Startlöchern stehen“, Probleme bereitet. Weil es offensichtlich viel schwieriger ist, einen überzeugenden Flieger mit nur 120 kg Leergewicht zu bauen, als es sich die meisten zu Beginn vorgestellt hatten.

Da beginnt man über Zielgruppen zu hirnen: Würde sich wohl jemand, der stolz mit eingekauften Damen von den „Silicon Hills“ posiert, für einen 120 kg – Dreiachser interessieren? Und: In wieviel Sekunden würde das Lächeln solcher Damen im wirklichen Leben auf dem Grasplatz neben einem 30 PS – Underdog – Piloten zu Eis gefrieren?

Aber trotzdem: Stellen wir uns mal vor, auf der AERO 2013, also vor nur 4 Jahren, hätte es so viele Flieger gegeben, die es sofort als 120 kg – LL zu kaufen gibt, wie auf der AERO 2017. Auch ganz klar: Die 120 kg Fan – Gemeinde hätte gejubelt. Denn damals hatte noch kein einziges Muster eine Zulassung bzw. die damals noch alternativlos geforderte Musterprüfung nach LTF-L

Inzwischen ist der erste Hype, den man bei jeder neu geschaffenen Flugzeugklasse beobachten kann, erwartungsgemäß abgeflaut und hat einer sachlicheren, kritischeren Betrachtung der LL-Fliegerei Platz gemacht. Denn jetzt liegen praktische Erfahrungen vor: 10 verschiedene Muster haben die Prüfungen durchlaufen, können ab Werk geordert werden und sind als LL in der Luft. Dazu das geschätzte Dutzend Flieger, das über bestehende, alte Zulassungen (z.B. nach BFU) oder über europäische Zulassungen den Weg zur offiziellen Eintragung als LL gefunden haben. Eine solch große Auswahl bietet z.B. die viel ältere deutsche LSA-Klasse nicht einmal im Ansatz.

 

Konsequente Präsenz: Das Vierwerk-Team mit der AeroLite 120.

Thilda und Wofggang Labudde sind inzwischen auf der AERO eine feste 120 kg – Institution. Ihr AeroLite 120 ist die nach deutschen Sicherheitskriterien weiter entwickelte amerikanischen Aerolite 103. Im gegensatz zu 2016 bietet Vierwerk den Flieger nun mit zwei Motorisierungen an. Neben dem Hirth F33 kommt jetzt auch der Polini Thor 200 zum Einsatz. Durch die Gebläse – Zwangskühlung soll der kleinere Bruder des populären wassergekühlten Polini 250 in der Pusher-Version thermische Vorteile bieten.


Thilda Labudde hat sich insbesondere um die Nachwuchsfördrung verdient gemacht: Etliche Flugschulen konnten dafür gewonnen werden, das Ausbildungsangebot um den LL-Schein zu erweitern. Mit seiner Bugrad-Konfiguration ist der AeroLite 120 hierfür ein sehr geeignetes Ausbildungsflugzeug.

 

Die neue 120 kg – Referenz: SD-1 mit 830 ccm Briggs + Stratton

 Diesmal hatte Uwe Post eine SD-1 praktisch genau in der Konfiguration als Exponat mitgebracht, in der auch die 120 kg –Version angeboten wird: Spornradausführung und Einbau des SE 33 Motors, den Igor Spacec auf Basis des 830 ccm Briggs + Stratton entwickelt hat. Dieser Motor leistet als Direkttriebler 33 PS ganz ohne Tuningmaßnahmen und verspricht dadurch hohes Maß an Zuverlässigkeit.

Bei manchen LL -Entwicklungen hat sich ein geschlossenes Muster nur dann als realisierbar herausgestellt, wenn ein besonders leichter Motor verwendet wird – zum Beispiel der Wankel von Woelfle oder der Zweitakt-Polini. Die SD-1 aber ist besonders klein und spart als Tiefdecker konzeptbedingt gegenüber Schulterdeckern einige Kilos ein. So konnte Uwe Post als erster einen komplett geschlossenen LL – Flieger anbieten, der mit einem sonor klingenden Viertakter ausgestattet ist. Bis zum Verkaufsstart der Corsair von Jörg Hollman, über den im Teil 2 des Berichts noch zu sprechen ist, hat Uwe Post den schnellsten 120er im Angebot, der außerdem über den wohl zur Zeit zuverlässigsten und akustisch angenehmsten 120er-Motor verfügt und in seiner geschlossenen Ausführung auch besonders wintertauglich ist. Kein Wunder, dass Uwe Post „aus dem Stand heraus“ mit der 120 kg – Version sehr gute Geschäfte machte, nachdem die UL-Zulassung seines Fliegers für die Eintragung als LL anerkannt wurde. Die ursprünglich geforderte LTF-L Bauvorschrift hatte die SD-1 ja wegen zu hoher Flächenbelastung nicht erfüllen können.

Der „Song“: Bestens etabliert und vom erstan Tag an mit dabei.

 Mit seiner hochwertigen tschechischen Zulassung als UL, die weitgehend den LTF-UL entspricht, konnte der Song als eines der ersten Dreiachs-LL in Deutschland betrieben werden. Als Motorsegler hätte er in der „Elf“ einen einzigen ernsthaften Wettbewerber gehabt, wenn der beratungsresistente Ekolot-Boss dieses Projekt nicht sehenden Auges an die Wand gefahren hätte. Das kann Edy van de Kraats nur recht sein, der den Song mit großem Erfolg verkauft – beim „fliegenden Bauern“ nördlich Lindau. Das Besondere daran: Fast ein Drittel der georderten Flieger wird bereits mit einem Elektro-Antrieb ausgestattet.

Wer einen Verbrenner möchte, bekommt  den 250 ccm Polini Thor, der inszwischen sehr gut an diesen widerstandsarmen Flieger angepasst ist und auch längere Luftwanderungen komfortabel gestaltet:  Die Zeiten der Sägezahn-Technik  sind schon lange vorbei.

 

Einer der marktbestimmenden LL- Anbieter fehlte mal wieder.

 Die kleine 1 ½ Mann Edelflieger-Manufaktur „Weller Flugzeugbau“ kann oder will sich den finanziellen und vor allem auch zeitlichen Aufwand nicht leisten, der mit einer AERO – Teilnahme verbunden ist. Roman Weller darf aber hier bei der Besprechung der wenigen Marktführer der LL-Klasse nicht fehlen. Zumal er passend zur AERO den ersten Rebell mit der neuen, stärkeren Version des Briggs+Stratton Vanguard ausgeliefert hat. Der nun von einem renommierten Tuner gelieferte Antrieb leistet  mindestens die echten 33 PS, die bei manchen Anbietern nur auf dem Papier stehen. Dennoch ist er besonders zuverlässig, wie die Erfahrung mit diesen Motoren in verschiedenen LL- Geräten über viele Jahre hinweg gezeigt hat.

Die Zuverlässigkeit und Umweltverträglichkeit der kleinen Motoren wird darüber entscheiden, in welchem Umfang sich die Klasse der 120 kg – Motor-Dreiachser durchsetzen kann. Weller Flugzeugbau hat das erkannt und konsequent das Angebot im Rahmen des Machbaren optimiert.

 

Der AERO – Rückblick wird mit Teil 2 demnächst fortgesetzt.