Nur wenige potenzielle Interessenten der 120 kg – Klasse hatten die Möglichkeit und die Zeit, den Lauf der Dinge in Sachen „Zulassung“ zu verfolgen. Hier daher ein zusammenfassender Überblick und Ausblick.
Wie alles begann.
Es ist das Verdienst des DULV, dass die großartigen Freiheiten das deregulierten Fliegens in Deutschland Einzug halten konnten. Anfangs freilich für fast ein Jahrzehnt beschränkt auf nicht motorisierte Geräte und solche, bei denen der Antrieb nicht fest mit dem Gerät verbunden war. Das hieß: „Ja“ für Motorschirme und Trikes, auch doppelsitzig, so lange das Leergewicht im 120 kg – Limit blieb. „Ja“ auch für dreiachsige Segelflugzeuge. Aber ein klares „Nein“ für motorisierte Dreiachser.
Die Begründung war nachvollziehbar: Das Ministerium wollte die praktisch bürokratiefreie, „deregulierte“ Fliegerei erst einmal nur für besonders einfache, langsame Geräte freigeben, die keinen großen Schaden anrichten können. Denn immerhin ist der Pilot / Halter zu 100 Prozent allein dafür verantwortlich, dass er und sein Gerät flugtauglich sind. Verpflichtende medizinische (Medical) und technische (JNP) Überprüfungen entfallen ja ersatzlos.
Einfachheit, Langsamkeit und damit geringes Gefahrenpotenzial waren bei den gewichtskraftgesteuerten Geräten von selbst gegeben. Die Bauvorschriften der Motorschirme und Trikes wurden für die 120 kg – Klasse daher unverändert übernommen. Doch schon bei den motorlosen 120 kg – Dreiachsern, den damals so genannten „Gleitflugzeugen“, wollte man eine „Bremse“ installieren, um die Einfachheit und Langsamkeit der Geräte festzuschreiben: Die deregulierten Segler bekamen eigene Bauvorschriften, in denen die Vmin auf maximal 55 km/h begrenzt war. Dies deckte sich auch mit den Intentionen der ersten „Gleiter“-Piloten, die mit wirklich preiswerten Fliegern einen klaren Gegenentwurf zu den unbezahlbaren, modernen Hochleistungs-Segelflugzeugen wollten.
Das „Prinzip Selbstverantwortung“ bewährte sich.
Da die „Deregulierung“ problemlos funktionierte, war das Ministerium dann schließlich gewillt, die völlige Selbstverantwortung nun auch bei den motorisierten Dreiachsern zu gewähren – im Gegenzug zu einer Beschränkung der Performance. Denn es war technisch möglich und von einem Hersteller auch schon auf der AERO 2010 stolz als Mock Up präsentiert, dass 120 kg – Flieger mit modernen Konstruktionsmethoden durchaus den 200 km/h – Horizont erreichen können.
Das Ministerium forderte daher, dass in den noch zu formulierenden Bauvorschriften diese Beschränkungen festgeschrieben werden: Vmin 55 km/h (wie die Segelflugzeuge) plus maximale Flächenbelastung von 25 kg / qm. Dazu ein mmaximales Tankvolumen von 25 Litern, was bei sparsamen Viertaktern keine echte Beschränkung war, und ein deutlich von den einsitzigen ULs abgesetztes MTOW. Das wollten die beauftragten Verbände DULV und DAeC nicht akzeptieren und verlangten kompromisslos die Anwendung der LTF-UL 2003 auch für die 120 kg – Klasse. Nach jahrelangem Streit stellten die „Beauftragten“ ihre Bemühungen um die neue Klasse der 120 kg Motor-Dreiachser ein, obwohl sie schon über tausend Lizenzen für diese Flieger ausgestellt hatten.
Das wiederum passte allen Piloten nicht, die lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach wollten – und natürlich auch nicht den 120 kg Segelfliegern, die sowieso die vom Ministerium geforderte Leistungsbegrenzung der Vmin von 55 km/h hatten und endlich auch 120 kg Motorsegler betreiben wollten. Daher reichte der Verband der Segelflieger einen „Anhang Motor“ ein, der die vom Ministerium geforderten Beschränkungen übernahm. Ohne nennenswerte inhaltliche Änderungen formulierte das LBA im Auftrag des Ministeriums daraus die Bauvorschrift LTF-L für 120 kg Dreiachser mit und ohne Motor.
Nach anfänglicher Aufregung bei den „Beauftragten“, die sich hintergangen fühlten, glätteten sich die Wogen, und das Luftsportgeräte-Büro des DAeC wurde vom LBA als Prüfstelle entsprechend LTF-L benannt. Die ersten Prüfungen liefen an und wurden auch erfolgreich abgeschlossen.
Neues Luftrecht. Neue Verwirrung.
Im Rahmen der Neuformulierung des kompletten Luftrechtes galt die Beauftragung des Luftsportgeräte- Büros jedoch nur bis Ende 2013, da der neu gestaltete §11 LuftGerPV für die Prüfung der 120 kg – Geräte nur noch DAkkS – zertifizierten Prüfstellen vorsah (Deutsche Akkreditierungsstelle Berlin). Als sich herausstellte, dass die Zertifizierung statt der von der DAkkS vor Verabschiedung des Gesetzes als „Köder“ angesagten 6000,- € in Wirklichkeit 60.000,- bis 90.000,- € kosten würde, war jedem klar, dass sich diese Kosten bei den geringen Stückzahlen der 120 kg -Dreiachser niemals amortisieren könnten. Zulassungen neuer Gerätemuster waren damit in Deutschland nicht mehr möglich.
Zum Glück hatten die Macher des Gesetzes jedoch heftig geschlampt, oder es hatte ein vorausschauender Geist den Absatz 4 des §11 LuftGerPV wohlwissend mit diesem brisanten Inhalt hineingeschmuggelt: UL – Zulassungen europäischer Staaten einschließlich des Europäischen Wirtschaftsraumes werden „unmittelbar“ anerkannt, um ein Muster bei uns als LL (Leichtes Luftsportgerät) eintragen zu lassen. Das wäre dann – beim Wort genommen – auch jede deutsche Zulassung nach LTF-UL 2003. Also genau das, was DULV und DAeC schon immer (vor fünf Jahren) wollten, aber vom Ministerium nicht bekamen.
Das Ministerium interpretierte jedoch diesen Absatz erst einmal so, dass die Anerkennung nur Zulassungen außerhalb Deutschlands betreffe – deutsche Zulassungen blieben also außen vor – und dass zusätzlich die Bestimmungen des § 3 aus LTF-L nachzuweisen seien (Leistungsbeschränkungen). Auf diesem Wege kamen dann endlich zumindest jene Flieger in die Luft, die auch nach LTF-L hätten geprüft werden können.
„Machtwort“ der Rechtsabteilung: Alles, was in Europa als UL zugelassen ist und leer 120 kg wiegt, kann als LL eingetragen werden.
Wiederum ist es ein Verdienst des DULV, dass über eine juristische Prüfung der Sachlage durch die Rechtsabteilung des Ministeriums eine wohl- hoffentlich – letztgültige Interpretation des Absatz 4 gegeben ist: Jedes Luftsportgerät mit einer Zulassung als UL kann als Leichtes Luftsportgerät betrieben werden und bekommt – auf Wunsch – von den Beauftragten ein Kennzeichen, wenn es leer maximal 120 kg wiegt. Die eigentliche Zielsetzung und der Inhalt des §11 LuftGerPV sind damit in der Praxis Makulatur. Vor allem: Erstmals liegt seitens des Ministeriums eine schriftliche Bestätigung vor, dass diese Interpretation des Abs. 4 korrekt ist.
Mit diesem „Paukenschlag“ ist die 120 kg – Interpretation der Dreiachser nun dort gelandet, wo DULV und DAeC schon vor 5 Jahren hin wollten. Und damit kommen auch die Produkt- und Zielgruppen-Segmente wieder in den Fokus, die durch die Leistungsbegrenzungen ausgeklammert waren.
Neue Altersstruktur: Die Gruppe „65 Plus“ erobert Platz 2.
Ganz offensichtlich gibt es insbesondere in der nach oben offenen Altersgruppe „65 Plus“ eine bedeutende Anzahl von Piloten, die mit leistungsbegrenzten 120ern nichts anfangen konnten. Diese Gruppe interessiert sich nun schlagartig wieder für die deregulierten Motor-Dreiachser, wie das Spektrum der Altersgruppen bei den Besuchern dieser Internet-Seite zeigt. Ein „Hype“ direkt nach Veröffentlichung des Ministeriums-Statements spülte die Senioren auf Platz 1 der Besucher – siehe Artikel vom 29.12.2015.
Doch auch jetzt, in größerem zeitlichen Abstand muss leider festgestellt werden: Die Altersgruppe 65 Plus hat die vergleichsweise jugendliche Altersgruppe 45 bis 54 Jahre von Platz 2 auf Platz 3 verdrängt. In der Regel müssen sich Piloten in der Altersgruppe 45 bis
54 Jahre nur selten große Sorgen um ihr Medical machen. Das große Interesse dieser Gruppe an den kleinen Fliegern bewies und beweist noch immer anschaulich, dass ursprüngliche Freude am „wirklich leichten Fliegen“ die wesentliche Triebfeder für das Interesse an einem120 kg – Flieger sein kann. Zum Glück bleibt wenigstens die Gruppe 55 bis 64 Jahre stabil auf dem ersten Platz. Der jüngst wieder sichtbare Zustrom an Senioren 65 Plus legt
jedoch nahe, dass hier die Motivation primär in der Medical-Freiheit besteht. Viele ältere Herren, die größere, schnellere Flieger gewohnt sind, wollen eben auch dann, wenn der Termin beim Fliegerarzt zum Problem geworden ist, so viel „richtiges Flugzeug“ wie irgend möglich. Kurz: Viele in dieser Gruppe haben überhaupt keine Lust aufs „wirklich leichte Fliegen“, sondern sie schlucken die „120 – kg – Kröte“, weil sie keine andere Wahl haben. Diese Gruppe könnte, weil sie in der Regel sehr zahlungskräftig ist, die Entwicklung neuer Flieger dominieren: Höher. Schneller. Weiter. Und irgendwann ist dann auch ein 120 kg – Flieger für schlappe 80.000 € in besseren Kreisen salonfähig.
Wer füllt die Lücke zum „600 kg – UL“ ?
Der jüngste Vorstoß von Jo Konrad, die UL-KLasse mit einem MTOW von 600 kg der LSA-Klasse anzupassen, ist absolut richtig und konsequent mit Blick auf den Main-Stream der Käufer. Das sichert die Verbandstätigkeit in der gehobenen Klasse „ist wie ein LSA“, die ja schon gelebte Wirklichkeit ist, parallel zu der Klasse „ist wirklich ein LSA“. Um letztere dürfen sich die Beauftragten ja nicht kümmern. Auch hier gilt die Main-Stream-Wunsch-Devise: Wie viel „großes Flugzeug“ darf ich mit meinem kleinen UL-Schein fliegen? Wer am meisten General-Aviation-Feeling für UL-Lizenzen bietet, ist die beste Interessenvertretung.
Das „normale“ UL, auf den sich der Begriff früher einmal bezog, bleibt damit am Ende auf der Strecke. Nicht, weil einer diesen Geräten Böses will, sondern weil die kaufende Pilotenschaft so mit den Füßen bzw. mit dem Geldbeutel abstimmt. Diejenigen, die das einfache, ursprüngliche und damit auch Preiswerte schätzen, sind eine Minderheit, die markttechnisch immer weniger interessant ist und vielleicht sogar ganz ausstirbt.
Es spricht vieles dafür, dass nun, wo dem Konstrukteur nicht mehr per Bauvorschrift die Hände gebunden sind, mit der 120 kg – Klasse Ähnliches geschieht. Zwischen den 120ern und den 600ern klafft eine immer größer gewordene Lücke, die sich mit attraktiven, leistungsfähigen, aber auch deutlich teureren Geräten „von unten“ her vielleicht etwas auffüllen lässt.Das bürokratiefreie Fliegen in hundertprozentiger Eigenverantwortung für sich und das Gerät gewinnt im Kontrast zu den immer GA-ähnlicheren Reise-ULs vielleicht sogar eine gesteigerte Attraktivität.
Auch als überzeugter Freund des besonders einfachen und preiswerten Fliegens wird man diesen Aspekt begrüßen können: Neue leichte, speziell für die 120er-Klasse entwickelte Komponenten, insbesondere Rettungssysteme und Antriebe, wird es nur geben, wenn die Nachfrage größere Stückzahlen ermöglicht. Allein mit den einfachen Geräten ist das nicht zu schaffen.
Die 120 kg -Verbände VMLL und DULSV, die gerade im gemeinsamen Verband DVLL fusionieren (siehe letzten Beitrag), werden ein neues Selbstverständnis entwickeln müssen, um diesem Wandel Rechnung zu tragen.