Das Ministerium hat die vom Deutschen Ultraleicht Segelflug-Verband DULSV eingereichten Bauvorschriften überarbeitet und verabschiedet.
Die neu formulierten und verabschiedeten Bauvorschriften werden nun vom LBA in den Nachrichten für Luftfahrer (NfL) veröffentlicht.
Die leidige, über zwei Jahre hinweg andauernde, erfolglose „politische“ Blockade unter Wortführung des DULV konnte nun durch die Initiative eines kleineren Verbandes durchbrochen werden.
Der DULSV, dessen Bauvorschriften für die 120 kg Segelflugzeuge ohnehin 55 km/h Vmin vorschreiben, hätte mit der vom DULV angestrebten Übernahme der LTF-UL (65 km/h Vmin) nichts anfangen können. Unabhängig von den Bestrebungen des DULV war in jedem Fall eine eigene Lösung nötig. Daher wurde zu den bestehenden Lufttüchtigkeitsforderungen für Gleitflugzeuge (LFG) ein „Anhang Motor“ entwickelt und im Herbst 2011 als Entwurf an das Ministerium eingereicht.
Auf Basis dieses Entwurfes haben Ministerium und LBA nun neue Bauvorschriften Formuliert, die für motorisierte und nicht motorisierte Dreiachser bis 120 kg Leergewicht anwendbar sind. Näheres ist bereits jetzt nachzulesen in der Besprechung des Entwurfs in „Flügel, das Magazin“ Nr. 113. Die technischen Rahmenbedingungen haben sich in der Endfassung nicht mehr geändert.
Diese Internetseite war nach Verabschiedung der Bauvorschriften als Plattform für breiten Informationsaustausch rund um das „Leichte Fliegen“ gedacht. Sie wurde nur deshalb vorzeitig „ans Netz“ gebracht, um die (wirtschaftlichen) Interessenlagen rund um die Verbandsforderungen transparent zu machen.
Nachdem nun eine Lösung erreicht ist, werden spätestens bis zur Veröffentlichung der Bauvorschriften in den NfL die Inhalte im ursprünglich geplanten Sinn überarbeitet und ergänzt.
Für alle, die erst jetzt mit der Materie befasst sind, also noch für kurze Zeit dieser inzwischen zum Glück „historische“ Rückblick.
Die „Historie“:
Worum geht es im Grundsatz bei den „deregulierten“ Luftsportgeräten mit 120 kg Leergewicht?
Ein Überblick:
Den Anfang machten die Minimum-Geräte, die Motorschirme und die leichten Trikes: Schon seit etlichen Jahren genießen diese Luftsportgeräte eine 5 Punkte umfassende „Deregulierung“:
1. Keine Verkehrszulassung mehr erforderlich, sie ist ersetzt durch eine Musterprüfung
2. Keine Kennzeichenpflicht. Das Kennzeichen kann aber beantragt und wie üblich angebracht werden.
3. Keine verpflichtende Jahresnachprüfung. Der Halter ist ohne Einschränkung selbst für die Lufttüchtigkeit verantwortlich.
4. Die Piloten-Lizenz wird zeitlich unbefristet erteilt, es ist keinerlei Erneuerung mehr erforderlich.
5. Es ist kein Medical erforderlich, um die Gültigkeit der Lizenz zu erhalten.
In Paragraf 1 Absatz 4 LuftVZO wurde zunächst die Einschränkung gemacht, dass diese Deregulierung nur bei Geräten ohne Motor oder mit einem nicht fest mit dem Luftfahrzeug verbundenen Motor eingeräumt wird. Hierdurch waren Dreiachser konstruktionsbedingt von der 120Kg-Regelung ausgeschlossen.
Nachdem sich die Deregulierung / erhöhte Selbstverantwortung der Halter / Piloten über Jahre hinweg bei den leichten Motorschirmen, Trikes etc. bewährt hatte, sollten nun auch die Betreiber von Dreiachsern in den Genuss der für deutsche Verhältnisse recht unbürokratischen und dadurch auch kostensenkenden Regelung kommen.
Worauf diese Initiative abzielte und wie sie gegenüber Luftfahrtbundesamt / Ministerium begründet wurde, ist z.B. aus einem Dankesschreiben des DAeC Generalsekretärs Günter Bertram vom 07.08.2009 an das Ministerium ersichtlich: „Damit wird >Einfachstgeräten< wieder die Chance gegeben“ sich am Markt „preisgünstig zu etablieren“. (Siehe Rubrik „Dokumente“)
120 Kg-Motorschirm, dereguliert
120 Kg-Trike, ebenfalls dereguliert
Analog: 120 Kg-Dreiachser (Belite USA)
Hintergrund: Preiswerte „Einfachstgeräte“ analog zu leichten Trikes, wie sie früher auch bei den Dreiachsern üblich waren, konnten schon längst nicht mehr als Neukonstruktionen zu vertretbaren Kosten entwickelt, zugelassen und in den Markt gebracht werden. Der Aufwand der neuen, für Hochleitungs-Dreiachser entwickelten Bauvorschriften war für Einfachstflugzeuge zu hoch.
Ziel sollte also sein, auch bei den Dreiachsern wieder preiswerte Einfachstgeräte auf einer Ebene zu Trikes und Motorschirmen zu ermöglichen.
Der Passus „ohne Motor oder mit einem nicht fest mit dem Luftfahrzeug verbundenen Motor“ wurde gestrichen, und am 28. Januar 2010 wurden im Bundesanzeiger die Änderungen in der Luftverkehrszulassungs-Ordnung (LuftVZO) bekannt gegeben.
Nach erfolgter Gesetzesänderung forderte jedoch insbesondere der DULV, dass die vorhandenen Bauvorschriften LTF-UL, welche für die modernen Hochleistungs-Dreiachser entwickelt worden waren, nun ohne Änderung – bis auf das Gewicht – auch für die 120 Kg-Dreiachser anzuwenden seien.
Diese Forderung war im Ergebnis nicht nur die Umkehrung dessen, was dem Ministerium im bereits zitierten Brief des DAeC beschrieben war. Sie war auch insofern ein direkter Affront, da ein Vorstandsmitglied des DULV, das sich sehr für die 120-Kg-Klasse eingesetzt hatte, zu diesem Zeitpunkt bereits diese Planungen fertig in der Schublade hatte: Wie auf Basis von LTF-UL mit teurem High-Tech-Leichtbau ein High-End-120er mit 200 km / h Speed-Horizont produziert und zu endsprechend hohen Preisen an eine besonders zahlungskräftige ältere, medicalscheue Zielgruppe vermarktet werden könnte.
Wegen des unübersehbaren Konfliktes privatwirtschaftlicher Interessen mit den teils hoheitlichen Funktionen als Beauftragter des Ministeriums musste der betreffende Vorstand sein Amt zur Verfügung stellen.
Der von LBA, Ministerium und – damals – auch vom DAeC getragene Kompromissvorschlag, die Bauvorschriften der motorisierten 120 Kg-Dreiachser in Anlehnung an die Bauvorschriften der 120 Kg-Segelflugzeuge („Gleitflugzeuge“) zu gestalten, wurde jedoch wegen der hier auf 55 km/h herabgestzten V min von der „Rennziegen-Fraktion“ unter Wortführung des DULV abgelehnt: Weil sich mit einer abgesenkten V min (Erhöhung der Sicherheit) der Speed-Horizont der kleinen Renner nicht maximal ausschöpfen lässt.
Durch die Absenkung der geforderten Mindestgeschwindigkeit von 65 km/h (LTF-UL) auf 55 km / h wäre die beabsichtige Annäherung an die bei Außenlandungen besonders risikoarmen 120 Kg-Motorschirme und Trikes sowie an die 120 Kg -Gleitflugzeuge gegeben gewesen.
Dabei wäre diese Regelung im internationalen Vergleich durchaus liberal gewesen: Deregulierte Fluggeräte in USA (Part 103) müssen sogar eine Mindestgeschwindigkeit von 44 km/ h (clean) erreichen, was problemlos möglich ist – vergl. Abbildung Belite oben. Und die englischen SSDR (Single Seat Deregulated) haben durch eine Mindestfläche von 1 qm pro 10 kg automatisch eine geringe V min und eine begrenzte V max.
News / Stand 1. Oktober 2011:
Kurswechsel der „Rennziegen-Fraktion“
Die Verbände unter Wortführung des DULV stellen ihre Bemühungen ein, LTF-UL (2003) als 120 kg – Bauvorschriften durchzusetzen. Stattdessen konzentrieren sie sich auf die baldige Umsetzung eines deregulierten / erleichterten Medicals für alle Uls.
Die bisherigen „Meinungsmacher“ in der 120-Kilo-Klasse waren vor allem jene Anbieter, die trotz 120 kg Leergewicht mit möglichst schnellen, „rassigen“ und entsprechend teuren Geräten in den Startlöchern stehen. Daher wurde kompromisslos die (nur) für Hochleister nötige Bauvorschrift LTF-UL (2003) eingefordert.
Diese Anbieter haben zwar sehr spät, aber nun endlich doch noch erkannt, dass für ihre Interessenlage die 120-Kilo-Klasse nutzlos und „tot“ ist, wenn für alle ULs ein dereguliertes Medical oder gar Medicalfreiheit eingeführt wird. Und das ist schon bald Realität:
Bereits im Februar / März 2012 soll das erleichterte Medical („Hausarzt-Medical“) für die „höherwertige“ LSA-Klasse im europäischen Gleichschritt ohne Möglichkeit nationaler Sonderregelungen umgesetzt sein. Die „geringerwertige“ Klasse der rein national regulierten ULs kann dann nach dem Gleichheitsgrundsatz nicht strenger behandelt werden. Die ULs bekommen daher zumindest das „Hausarzt-Medical“, vielleicht sogar eine noch weitergehende Erleichterung (In Frankreich beispielsweise wird für alle ULs keinerlei gültiges Medical benötigt, ohne dass es irgendwelche Hinweise auf hierdurch erhöhte Unfallzahlen gibt).
Vor diesem Hintergrund wird Inzwischen von allen Beteiligten recht offen ausgesprochen, was zuvor vehement bestritten wurde: Das einzige, was die „Rennziegen-Fraktion“ an der 120er-Klasse interessiert hatte, war die Medical-Freiheit – in Verbindung mit so viel „richtigem“ Flugzeug wie irgend möglich. Koste es, was es wolle, denn die vorzugsweise etwas ältere Zielgruppe ist meist recht zahlungskräftig.
Der angestrebte Marktzugang für preiswerte, bescheidene Dreiachs-Einfachflugzeuge analog zu Motorschirmen und leichten Trikes, ermöglicht durch Leistungsbeschränkung und entsprechend vereinfachte Bauvorschriften, war dabei im Weg und hätte „geopfert“ werden sollen.
Lösung in Sicht?
Bislang ging der Streit um die Alternative: „Entweder preiswertes Einfachflugzeug – oder teurer Mini-Racer“. Ein vermittelnder Kompromiss konnte nicht gefunden werden. Dieses „Entweder-Oder“ ist jetzt nicht mehr nötig:
Flieger wie die sportliche SD-1 oder der High-Tech-AIRector können im freien Wettbewerb ohne marktverzerrendes Medical-Argument in der bestehenden Klasse bis 300 / 315 kg um Käufer werben. Und ZUSÄTZLICH besteht nun die Chance, dass durch vereinfachte Bauvorschriften in der deregulierten 120er-Klasse endlich wieder weitestgehend „bürokratiefreie“ Einfachgeräte konstruiert und mustergeprüft werden können.
Im Gegenzug für die Freiheitsgrade der Deregulierung (Keine Zulassungs- und Kennzeichenpflicht plus technische Eigenverantwortung ohne vorgeschriebene JNP) und um Entwicklungs- und Herstellungskosten klein halten zu können, müssen Performance-Beschränkungen in Kauf genommen werden. Zum Beispiel 55 km/h Mindestgeschwindigkeit, maximal 25 kg / qm Flächenbelastung bei MTOW, ein deutlich geringeres MTOW als die 300 / 315 kg der zulassungspflichtigen Einsitzer, ein Tankvolumen von maximal 25 Litern.
Alle auf dieser Webseite unter „vereinfachten Bauvorschriften“ vorgestellten Flugzeuge erfüllen locker diese Bedingungen. Und bei einem Verbrauch von 7 Litern ist sogar eine Endurance von 3,5 Stunden gegeben.
Bleibt zu hoffen, dass nun der Weg frei ist, um endlich wieder bescheidenen, preiswerten kleinen Fliegern den Markt zu öffnen. Nicht als Ersatz für etwas Bestehendes. Sondern als ein ZUSÄTZLICHES ANGEBOT für alle, die wie die Piloten von Motorschirmen und leichten Trikes großen Spaß mit einfachen und preiswerten Geräten haben wollen – aber eben auch mit Dreiachsern.
Ein Ausblick: Bauvorschriften für die nicht zulassungspflichtigen „Gleitflugzeuge“, also kleine Segelflieger bis 120 kg, gibt es ja schon. Und es stehen bereits einige motorisierte „Gleitflugzeuge“ in der Warteschleife, die innerhalb des 120 Kg-Limits mustergeprüft werden möchten. Wie zum Beispiel der mit einem kleinen Viertakter motorisierte „Swift“ mit einem Verbrauch von 2 (!) Litern / h – siehe Rubrik Flugzeuge.
Die Ergänzung der Reihe vom Segler über den Motorsegler zum Motor-Dreiachser unter dem 120 Kg-Dach bietet sich förmlich an. Die vorhandenen Bauvorschriften müssten „nur“ ein wenig angepasst und um den Motor-Teil ergänzt werden.
Bleibt zu hoffen, dass Ministerium und LBA trotz des Unmuts, den die bisherigen Treiber und Wortführer ausgelöst haben, für die Umsetzung der ursprünglichen Idee des Dreiachs-Einfachflugzeugs weiterhin offen sind.