Wie wird die geforderte „Leermasse“ von maximal 120 kg bestimmt?
Vorneweg die Definition der Begriffe, um die es hier geht. Wir müssen unterscheiden: „Leermasse“ – „Rüstmasse“ – „Startmasse“
Wikipedia sagt es knapp und klar:
- „Mit Rüstmasse (auch: Rüstgewicht; Formelzeichen: GRüst, Dimension: kg) bezeichnet man bei einem Flugzeug das Gesamtgewicht von Flugzeugzelle, Motoren sowie der ständigen und zusätzlichen Ausrüstung.“
- „Durch Wegfall der zusätzlichen Ausrüstung ergibt sich die Leermasse„.
- Die Summe von Rüstmasse und Zuladung ergibt die Startmasse eines Flugzeugs. Siehe auch: MTOW“
Bei einem Ultraleichtflugzeug (UL) spielt die „Leermasse“ eine untergeordnete Rolle. Das UL wird primär über die maximal zulässige Startmasse MTOW von höheren Flugzeugklassen abgegrenzt.
Die kleineren, deregulierten Leichten Luftsportgeräte = LL grenzen sich nun von den UL unabhängig von der Startmasse durch die Begrenzung der Leermasse ab. Sie darf nur 120 kg betragen.
Diese Leermasse des LL ist das einzige Unterscheidungsmerkmal zu den UL. Von ihr will jeder Konstrukteur eines LL natürlich möglichst viel für die entscheidenden Baugruppen Zelle und Antrieb nutzen, um trotz der Gewichts-Beschränkung einen möglichst attraktiven Flieger herstellen zu können.
Zielführende Anwendung der Gesetze bei den LL:
Die ständige Ausrüstung wird bei einem LL zur bestmöglichen Ausschöpfung des Gewichtslimits möglichst klein gehalten. Sie muss nur das umfassen, was das Gesetz für die Zulassung des Musters / zum Betrieb des Fliegers als Minimum einfordert.
Die Mindestausrüstung für einen motorisierten 120 kg – Dreiachser besteht aus
- Fahrtmesser
- Höhenmesser
- Kompaß
- Überwachungsinstrument(e) für den Antrieb, so weit der Hersteller des Antriebs dies vorschreibt
Warum sollte ein Konstrukteur, der in dieser Klasse „mit jedem Gramm kämpft“, als „ständige Ausrüstung“ (siehe oben Wikipedia) mehr vorsehen als die vom Gesetzgeber vorgeschriebene Mindestausrüstung?
Alles andere darf mit Fug und Recht als zusätzliche Ausrüstung nach Wunsch des Halters vorgesehen werden. Denn im gesetzestreuen Gegensatz zu den oft „konstruktionsbedingt überladenenUL“ klafft zwischen den 120 kg der Leermasse und der maximalen Abflugmasse eine Gewichtsspanne, die auch gewichtige Piloten nur mit Mühe durch zusätzliche Ausrüstung und / oder Gepäck gefüllt bekommen. Denn nach der gültigen Bauvorschrift LTF-UL 2019, die weder zwischen Ein- und Zweisitzern noch zwischen UL und LL unterscheidet, darf das MTOW beim LL theoretisch 600 kg betragen. Und der Praxis wird mit hochwertigen Bauweisen ein MTOW zwischen 330 und 350 kg möglich sein.
Es ist also nicht nur legal, sondern entspricht auch dem gesunden Menschenverstand, wenn alles, was nicht die Flugeigenschaften beeinflusst, sondern nur dem Komfort, der Ästhetik oder der Sicherheit dient, als zusätzliche Ausrüstung vom Halter nachgerüstet werden kann. Die Rüstmasse darf bei einem LL daher durchaus z.B. 140 kg betragen. Bei z.b. 280 kg maximal zulässiger Abflugmasse bleiben dann immer noch z.B. 100 kg für den Piloten und 40 kg für Treibstoff und Gepäck. Zu letzterem darf dann auch z. B. ein tragbares Funkgerät und ein iPad auf dem Knie gezählt werden. (Im Gegensatz zu UL müssen LL nämlich nicht grundsätzlich mit einem Funkgerät ausgestattet sein.)
Damit bei dieser Regelung der zusätzlichen Ausrüstung kein Unfug getrieben wird, hat der Gesetzgeber aber sowohl in den Bauvorschriften eine ganz einfache Grenze gezogen:
§ 29 LTF-UL 2019
2. Der Zustand des Luftsportgerätes zur Zeit der Bestimmung der Leermasse muss genau definiert und ohne Schwierigkeiten wieder herstellbar sein.
In anderen Worten: Ohne Schwierigkeiten wieder abschraubbare Verkleidungsteile, eine abnehmbare, bequeme Sitz- und Rückenpolsterung, einzuhängende Türen oder eine größere Haube für die kalte Jahreszeit, Schmutzabweiser / Radschuhe etc.etc. All das muss an der lufttüchtigen, muster- und/ oder stückgeprüften Standard-Version bei der Wägung eben nicht drin und dran sein – mag der geprüfte / gewogene Vogel noch so spartanisch aussehen. Das betrifft auch die Motor-Cowling, wenn sie nicht technisch zur Kühlluftführung nötig ist und der Motor ohne sie zu heiß würde. Nicht zulässig, da nicht „ohne Schwierigkeiten wieder herstellbar“, sind aber z. B. Umrüstungen einer Spornrad – auf die Bugrad-Version, angeschweißte Teile etc.
Wichtig ist, dass der Halter / Pilot zusätzlich zum Wägebericht des 120 kg -Musters eine Liste der zusätzlichen Ausrüstung mit den dataillierten Gewichtspositionen für jedes Austattungsteil mit sich führt. So kann bei Bedarf auch ohne „Wiederherstellung des Gerätes“ mit seiner gewogenen 120 kg Leermasse eine Überprüfung durch einfaches Wiegen der Gerätes in seiner Rüstmasse erfolgen. Denn siehe oben: Rüstmasse abzüglich zusätzliche Ausrüstung ist Leermasse!
Das Rettungssystem
Für die Praxis ist bei der Feststellung der „Leermasse“ wesentlich, dass neben Deutschland kein weiteres Land in Europa ein Rettungssystem verbindlich vorschreibt. Entsprechend kann z. B. in Frankreich bei der Zulassung als UL die Leermasse mit 119,5 kg ohne Rettungssystem festgestellt werden, trotzdem darf der Flieger als LL eingetragen werden, da die europäischen Prüfungen / Zulassungen unmittelbar gültig sind. Zur Nutzung der deutschen UL-Prüfung nach LTF-UL für die Eintragung als LL müssen jedoch die 120 kg inklusive Rettung erreicht werden. Der Gewichtsvorteil von 6 bis 10 kg bei z. B. französischer Zulassung ist für den Hersteller oft entscheidend, ob er ein attraktives, marktgerechtes LL realisieren kann (Siehe Rubrik Zulassungen).
Moralisch wie rechtlich extrem fragwürdig ist die Ansage der Verbände DULV und DAeC, dass ein LL durch eine europäische Zulassung zwar ohne Rettungssystem akzeptiert wird, aber dass es dann verboten sei, nachträglich ein Rettungssystem zu montieren, auch wenn das zulässige MTOW nicht überschritten wird. Hier nehmen die Verbände billigend in Kauf, dass es Menschenleben kosten kann, weil sie die Piloten in die deutsche Zulassung zwingen wollen, an der sie Geld verdienen. Es wird spannend sein, ob beim ersten tödlichen Unfall die Gerichte die Verbände wegen dolus eventualis und Totschlags verurteilen werden. Sofern nachgewiesen ist, dass der Pilot die Rettung nachrüsten wollte, dies aber von den Verbänden untersagt bekam.